Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Wir haben uns als Partei erneuert“
„Wie kaum ein anderer kritisierte er die Fehlentwicklungen des globalen Kapitalismus.“Interview Christian Lindner will die FDP wieder zurück in den Bundestag führen. Neben Themen wie Bildung, Digitalisierung und Steuerentlastungen fordert er einen Kurswec
Der Ex SPD Vorsitzende und spätere Chef der Linken, Oskar Lafontaine, zum Tod von Heiner Geißler Herr Lindner. Kein Wahlkampf ist so auf eine Person zugeschnitten wie Ihrer. Kommt in der FDP erst Christian Lindner – und dann lange nichts? Lindner: Wir sind eine Partei ohne Minister und Bundestagsabgeordnete und müssen daher andere Wege gehen. Das sind nun mal die Gesetze der Mediendemokratie. Aber wichtiger als der, der auf den Plakaten zu sehen ist, ist das, was in unserem Programm steht. Bildung, Digitalisierung, geordnete Zuwanderung: Wir geben uns nicht länger mit dem Status quo zufrieden, und das drückt sich vielleicht auch in mutigeren, ungewöhnlichen Plakaten aus.
In den Umfragen liegen die Liberalen wieder bei acht bis zehn Prozent. Was machen Sie besser als vor Ihnen Guido Westerwelle und Philipp Rösler? Lindner: Wir haben uns als Partei erneuert und vertreten heute einen Rundum-liberalismus. Wir wollen den Einzelnen stark machen, durch beste Bildung beispielsweise, und ihn vor Bespitzelung und Bevormundung, übermächtigen Konzernen Angebot ausgeschlagen haben, mit den Grünen und der SPD zu koalieren. Wir treten nur in eine Regierung ein, wenn wir auch hinreichend viele unserer Ideen einbringen können und nicht nur unsere Sitze. Ansonsten gehen wir in die Opposition.
Was ist für die FDP denn unverhandelbar? Lindner: Wir wollen Trendwenden in vielen Politikbereichen erreichen. Weg von einer chaotischen Zuwanderung, hin zu einer strategisch geordneten Einwanderung. Wir wollen kein Europa der Umverteilung, sondern der Zusammenarbeit. Keine weiteren Eingriffe in die Bürgerrechte, sondern mehr Sicherheit durch mehr Polizei und eine bessere Zusammenarbeit der Behörden. Am Sonntag werden wir eine Reihe dieser Trendwenden beschließen. Daran können die Bürger uns messen.
In Nordrhein-westfalen und Schleswig-holstein haben Sie auch Querund Seiteneinsteiger zu Ministern gemacht, zum Beispiel einen ehemaligen Manager. Ist das auch ein Modell für eine Regierungsbeteiligung im Bund? Lindner: Wir wollen ganz generell mehr Menschen aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft gewinnen. Eines der besten Beispiele dafür finden Sie vor Ihrer Haustüre in München: Thomas Sattelberger war ein Linker, dann Manager bei der Telekom und bei Conti und kandidiert nun im reifen Alter von mehr als 60 Jahren für uns für den Bundestag.
Guido Westerwelle hat 2009 den Fehler gemacht, nicht das Finanzministerium für die FDP zu beanspruchen. Angenommen, die FDP regiert wieder mit: Wo sehen Sie sich selbst? Lindner: Noch sind wir nicht einmal im Bundestag – geschweige denn in Regierungsverantwortung. Eines allerdings kann ich sagen: Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Natürlich werden wir wieder Fehler machen, weil Menschen nicht unfehlbar sind. Aber wir machen sicher nicht die gleichen Fehler ein zweites Mal.
Christian Lindner ist seit Dezember 2013 Bundesvorsitzender der FDP. Der 38 Jährige hat Politik, Staatsrecht und Philosophie studiert, er war Unterneh mensberater und Unternehmer, Landtags abgeordneter, Bundestagsabgeordne ter und Generalsekretär seiner Partei. Er ist mit einer Journalistin verheiratet und zurzeit Fraktionschef im nordrhein west fälischen Landtag. Nach der Bundes tagswahl will er nach Berlin wechseln.