Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er wäre auch gerne Fußballer gewesen
Rückblick Reinhold Demel, Leiter der Arbeitsagentur Augsburg, verabschiedet sich in den Ruhestand. Wie ein Schlüsselerlebnis ihn zum Arbeitsvermittler machte und was er für die Zeit nach dem Arbeitsleben geplant hat
Reinhold Demel hätte sich auch einen anderen Beruf vorstellen können – Fußballprofi. „Das hätte mir gefallen“, sagt der Fan des FC Augsburg und des 1. FC Nürnberg mit einem Funkeln in den Augen. Aber das Talent habe gefehlt. Zum Glück könnte man sagen. Denn sonst wäre die Karriere, die Demel schließlich abseits des Fußballplatzes hingelegt hat, nicht zustande gekommen.
Der gebürtige Günzburger studierte Jura, wollte aber weder als Staatsanwalt noch Richter arbeiten. Also ging er als Jurist in die Rechtsabteilung eines mittelständischen Unternehmens. Dort lernte er die Arbeitswelt in ihrer „vollen Breite“kennen. „Mir wurde nach einem Gespräch mit einem Kollegen bewusst, dass mein Arbeitsplatz nicht so sicher ist, wie ich dachte, und ich überlegte, was passieren würde, wenn die Kündigung kommt“, erzählt der 65-Jährige. Dieser Gedanke hätte ihn für das Zusammenspiel zwischen Beruf, Arbeitsmarkt und Unternehmen sensibilisiert und stark beeinflusst. Er war wegweisend für seinen beruflichen Werdegang, der ihn zur Arbeitsagentur führte. Seit 2006 befasst sich Demel als Leiter der Agentur in Augsburg mit genau „seinem“Thema: Wie kann es gelingen, Arbeitslose in der jeweils aktuellen Arbeitsmarklage mit den passenden Unternehmen in Kontakt zu bringen?
Eine Aufgabe, die für Reinhold Demel bei Amtsantritt in Augsburg zu einer Herausforderung wurde. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag damals bei 8,1 Prozent (heute: 4,1 Prozent), die wirtschaftliche Situation war alles andere als gut. Viele Unternehmen hatten einen Einstellungsstopp oder Kurzarbeit. Für den Leiter einer Arbeitsagentur keine guten Voraussetzungen. „Ich bin von Unternehmen zu Unternehmen getingelt und habe all unsere Leistungen angeboten wie sauer Bier. Keine Reaktion“, berichtet Demel rückblickend. „Das Einzige, was die Firmen wollten, waren Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen, weil diese keine großen Verpflichtungen bedeuteten“, so Demel weiter. Also veranstaltete er im Foyer der Arbeitsagentur mehrere Jobbörsen mit seriösen Zeitarbeitsfirmen, um sowohl seinen Kunden als auch den Unternehmen gerecht werden zu können. Von mancher Instanz gab es dafür heftige Kritik.
Doch Demel ließ sich von seinem Kurs nicht abbringen. Ungewöhnliche Wege waren für ihn immer wie- der das Mittel der Wahl. Als Manroland 2011 Insolvenz anmeldete, gab es eine extra Jobbörse nur für die betroffenen Mitarbeiter. Als ein Augsburger Automobilzulieferer 2015 mitteilte, dass 330 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen, fuhr Demel zur Betriebsversammlung und hielt ganz spontan eine Rede. „Ich habe den Leuten erklärt, wie wir ihnen helfen können und was sie selbst tun können, um über die schwere Zeit zu kommen“, erzählt er. „Wenn jemand den Arbeitsplatz verliert, dann ist das etwas ganz Schlimmes. Da müssen wir als Agentur Mut machen und Wege in eine positive Zukunft aufzeigen.“Das sei für ihn Chefsache gewesen. „Da kann ich mich nicht verziehen
Nachfolge ist bereits geregelt
Die Nachfolge von Reinhold Demel ist geregelt. Elsa Koller Knedlik über nimmt die Augs burger Agentur. Am Mittwoch findet die offizielle Amtsübergabe und andere vorschicken.“Demel habe stets den Mensch im Blick gehabt und sich auch um Einzelschicksale gekümmert, berichten Mitarbeiter. Und das in einer Agentur, die auch den Landkreis Augsburg und Aichach-friedberg umfasst und damit die drittgrößte Arbeitsagentur in Bayern ist. Demels Ziel, den Menschen mehr in den Mittelpunkt der Arbeit zu rücken, hat in der Organisation der Arbeitsagentur Spuren hinterlassen. „Ich habe während meiner Amtszeit versucht, uns zu einem Dienstleister zu verändern. Ich wollte, dass unsere Kunden nicht für jedes Anliegen einen anderen Ansprechpartner haben, sondern einen, der sich um alles kümmert“, erzählt Demel. Dazu habe man umstrukturiert und Abteilungen gebildet, die sich speziell mit einem Wirtschaftsbereich beschäftigten und so zu Experten auf diesem Gebiet wurden. „Nur so können Sie kompetent beraten und zielgerichtet nach der passenden Stelle oder Maßnahme suchen“, so Demel. Auch für die Arbeitgeber wollte er zunehmend der richtige Ansprechpartner sein. „Ich habe mich sehr gefreut, dass wir als einzige Agentur in Deutschland den Arbeitgeberservice ausprobieren durften“, erzählt er. Hier geht es darum, nicht den Agenturkunden an eine Firma zu vermitteln, sondern im Auftrag des Arbeitgebers einen Arbeitnehmer zu finden. Das Zusammenspiel aller sei wichtig. „Ich bin überzeugt, dass wir bestimmte Dinge nur gemeinsam lösen können. Die Agentur allein schafft das nicht.“
Unterm Strich ist Demel mit dem, was er während seiner Amtszeit erreicht hat, zufrieden, will sich den Erfolg aber nicht auf die eigene Fahne schreiben. „Sie können der beste Chef sein. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Leute mitzureißen, können sie nichts erreichen“, gibt er ein Lob an seine Mannschaft aus. Auch die äußerst positive Entwicklung am Arbeitsmarkt seit der Wirtschaftskrise 2008 und 2009 – die Quote sank von damals 5,9 Prozent im August auf derzeit 3,9 Prozent – betrachtet er nicht ausschließlich als Erfolg der von ihm geleiteten Arbeitsagentur. „Da hat die wirtschaftliche Entwicklung schon auch einen großen Teil dazu beigetragen.“Am 29. September ist für den zweifachen Familienvater Demel die Zeit in der Agentur aber abgelaufen. Er geht in den Ruhestand. Dann stehen nicht mehr die Kunden, sondern er selbst im Mittelpunkt. „Aus Selbstschutz“will er seiner Arbeitsstätte, die er immer gerne aufgesucht habe, eine Zeit lang den Rücken kehren und sich anderen Dingen widmen. Geschichte und Politik studieren zum Beispiel oder mit seiner Frau mit dem Wohnmobil verreisen. Auch die Klavier- und Russisch-kenntnisse sollen aufgebessert werden. Bleibt zu hoffen, dass Demels Credo aus dem Job auch im Privaten aufgeht: „Wenn ich mir ein Ziel gesetzt habe, habe ich es auch erreicht.“