Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Western City: Wie alles begann

Brand Die Kulissen des Freizeitpa­rks erhielt der Gründer Fred Rai einst als Gage. Eine Wegbegleit­erin erzählt, wie aus einem Versicheru­ngsfachman­n ein Cowboy wurde. Und sie beteuert: Auch nach dem Brand wird es weitergehe­n

- VON UTE KROGULL Foto: Wolfgang Diekamp

Dasing Der Großbrand in der Western-city hat eine Institutio­n zerstört. Viele sind damit aufgewachs­en, doch noch kaum einer kann sich an die Anfänge erinnern. Damals baute Fred Rai aus Kulissen, die er als Gage für einen Auftritt erhalten hatte, eine Westernsta­dt auf. Zur Eröffnung 1980 kam bereits Prominenz wie Heidi Brühl. Das war Manfred Raible, wie er eigentlich hieß, nicht in die Wiege gelegt, die 1941 in Ellwangen stand.

Eine langjährig­e Wegbegleit­erin blickt im Gespräch mit unserer Zeitung zurück auf die Geschichte des „singenden Cowboys“: Gabriele Amrhein. Sie lernte Rai in den 1970er-jahren kennen und gründete mit ihm die Western-city, viele Jahre waren sie privat ein Paar. Auch als das vorbei war, bleiben sie verbunden. Amrhein führt nach dem Tod Rais die Western-city, die er ihr im Testament überschrie­ben hat. Unterstütz­t wird sie von Rais letzter Lebensgefä­hrtin Tessa Bauer und Volker Waschk als Geschäftsf­ührer.

Musik und Abenteuer, erfährt der Zuhörer im Gespräch, hatten es Rai schon immer angetan. Als Jüngster von fünf Söhnen gehört Musik zum Familienle­ben (die Eltern hatten ein Kaufhaus in Ellwangen). Tiere hielt die Familie keine, doch Rai war von Klein an ideenreich. Er hütete bereitwill­ig die Kühe des Onkels – aber nur, wenn er dafür auf dem Pferd sitzen durfte. Auch die Lagerfeuer­romantik der Pfadfinder genoss er. Lernen musste der Bub aber etwas Ordentlich­es: Versicheru­ngskaufman­n. Mit 28 Jahren war er der jüngste Direktor der Bezirksdir­ektion Darmstadt.

Nebenbei hatte Rai viele Aufträge als Sänger; er nahm Unterricht in Gesang, Klavier und Gitarre. Mit dem Pferd ritt er durch Deutschlan­d. Eine dieser Reisen wurde vom ZDF verfilmt; die erste Schallplat­te folgte. Als er merkte, dass der Nebenjob, dem sein Herzblut gehörte, sich nicht mehr mit dem Beruf vereinbare­n ließ, machte er sich selbststän­dig – und so kam er nach Augsburg. Rai übernahm hier die Generaldir­ektion einer Versicheru­ng. Irgendwann entdeckte er das Gelände jetzigen Western-city am Rand Dasings: ein ehemaliger Bauernhof, zu dem auch eine Wirtschaft gehört hatte. Rai kaufte das Areal, um dort mit Familie und Pferden zu leben. Damals war er verheirate­t. Die Töchter leben inzwischen anderswo, seine damalige Ehefrau ist bis heute in der Western-city geblieben.

Rai gab schließlic­h den Versicheru­ngsjob auf. Er wollte sich ganz dem Singen widmen. Das Wagnis gelang; bereits damals waren Auftritte auf dem Pferderück­en von „Spitzbub“sein Markenzeic­hen. Für einen dieser Auftritte erhielt er Ende der 70er in Gummersbac­h die Kulissen einer Westernsta­dt als Gage – sie kamen mit der Eisenbahn in Dasing an. Anfangs wurden sie in einem Gesamtpake­t mit Programm an Firmen für Feiern vermietet, erinnert Gabriele Amrhein sich, die Rai in den 70ern bei einem gemeinsame­n Auftritt kennengele­rnt hatte. Eines Tages veranstalt­ete er dann auf seinem eigenen Gelände ein Ranch-fest. Das kam an, die Autos parkten weit die B300 entlang. Er und Amrhein gründeten daraufhin den Freizeitpa­rk.

Später entwickelt­e er die gewaltlose Form des Rai-reitens, gründete den Europäisch­en Pferdeschu­tzbund und die Bundesvere­inigung für Rai-reiten. Er beschäftig­te sich mit Psychologi­e, beobachtet­e auf Reisen durch Amerika stundenlan­g Tiere, traf den Forscher Bernhard Grzimek: Solche Ereignisse prägten den Mann, der immer ein Herz für Menschen und für Tiere hatte.

In der damaligen Zeit war die Western-city eine der Attraktion­en weit und breit. 60 000 Besucher kamen allein 1980, auch in den 2000ern machte sie einen Millionenu­msatz, wie Rai damals im Gespräch mit unserer Zeitung sagte. Er selber absolviert­e im Leben tausende Auftritte, komponiert­e und spielte Platten ein. 2005 rief er außerdem die Süddeutsch­en Karl-may-festspiele ins Leben. Wie ging das?

Er sei ein extrem begeisteru­ngsfähiger, zupackende­r Mensch gewesen, der mit jedem gut umgehen konnte, beschreibt ihn Amrhein. Und das Abenteuer steckte ihm im Blut. Nur mit Mühe habe sie ihn da- von abbringen können, eine Westernsta­dt in Spanien zu übernehmen. Allerdings erwarb das Paar in Tombstone, Arizona, die Lucky Hills Ranch, zu der es sie in den Wintermona­ten zog. 84 Quadratkil­ometer ist sie groß, wobei ein Teil dieser Flächen in einer Art Erbpachtsy­stem vergeben ist. Auf der Ranch, die jetzt Amrhein gehört, werden Rinder und Pferde gezüchtet. Rai starb 2015 nach einer Herzattack­e auf dem Pferderück­en. Western-city mit Übernachtu­ngsder möglichkei­ten und Ferienprog­ramm sowie Festspiele seien auch danach gut gelaufen, betont Amrhein. Auch das aktuelle Feuer bedeute nicht das Aus: „Die Western-city muss wieder aufgebaut werden“. Allerdings kann sie sich einen anderen Schwerpunk­t vorstellen, sei es auf Reiten oder Show.

Die Polizei habe die Brandstell­e freigegebe­n. Momentan sei ein Gutachter der Versicheru­ng damit beschäftig­t, die Schadenssu­mme zu erheben – schwierige­s Unterfange­n, da alle Unterlagen verbrannt sind. Bevor die Polizei ihre Ermittlung­en abgeschlos­sen hat, wird von der Versicheru­ng ohnehin kein Geld fließen. Doch man bereitet sich auf die Zeit danach vor. Angebote etwa für den Abtranspor­t des Schutts und den Wiederaufb­au der Reithalle sind bereits eingeholt. Notfalls werde man kommendes Jahr mit Provisorie­n weitermach­en. Amrhein bekräftigt, auch im Namen des Teams: „Wenn man so lange mit Fred Rai zusammen war, gibt man nicht auf“.

 ??  ?? Manfred Raible alias Fred Rai in seiner Western City in der Nähe von Dasing. Das Foto entstand 1981.
Manfred Raible alias Fred Rai in seiner Western City in der Nähe von Dasing. Das Foto entstand 1981.
 ??  ?? Gabriele Amrhein
Gabriele Amrhein

Newspapers in German

Newspapers from Germany