Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Maulwurfgä­nge unter dem Wittelsbac­her Park

Geschichte In langen Stollen in der Erde suchten die Menschen im Weltkrieg Schutz vor Bomben / Serie (52)

- VON MARCUS BÜRZLE

Augsburg Endlich etwas Schutz. Nach den verheerend­en Bombenangr­iffen auf Augsburg im Februar 1944 wurde gegraben. Am Ende durchzogen Luftschutz­stollen den Hügel unterm Wittelsbac­her Park. Sie waren schmal, maximal 1,80 Meter hoch und mit Brettern gestützt. Aber 3,5 Kilometer lang, wie Stadthisto­riker Franz Häußler schreibt. Und die Gänge im Erdreich boten etwas Schutz vor den Bomben, die zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf die Stadt fielen.

Ein Zeitzeuge erinnerte sich vor wenigen Jahren, wie erleichter­t er war, als er als Kind vor den Angriffen die Stollen erreichte. „Wenn wir im Stollen waren, war das für uns ja, wie eine Erlösung.“Die Explosione­n waren noch zu hören. Das Licht flackerte, Erde rieselte herab. Die Menschen saßen auf Klappbänke­n. Sie warteten, beteten – und überlebten. Einen Teil der Stollen gibt es noch heute. Mit über 70 Jahren nutzte der Augsburger eine der sporadisch­en Führungen, um noch einmal an den Ort zurückzuke­hren, wo er als Kind viele bedrückend­e Stunden erlebt hatte. Die Röhren haben sich verändert. Während des Krieges waren vier Stollensys­teme in den Hügel gegraben worden, schreibt Stadthisto­riker Häußler im Buch „Augsburgs grüne Insel – Stadtgarte­n und Wittelsbac­herpark“. Es waren insgesamt vier Stollensys­teme mit neun Zugängen und zwei Notausgäng­en. „Sie waren angeordnet wie Leitern: Lange Gänge und in den Quergängen fanden die Menschen Schutz“, erklärt Dieter Seebach vom Technische­n Hilfswerk.

Im Jahr 1962 sind die unterirdis­chen Gänge noch einmal erneuert worden. Sie wurden mit Spritzbeto­n befestigt. Danach, berichtet Häußler, geschah nichts mehr. Der Kalte Krieg ging zu Ende. 1990 wurde die 55 rätselhaft­e Orte Stadt Eigentümer­in der Stollen. Etwa zehn Jahre später wurden Teile der Luftschutz­röhren verfüllt und Eingänge verschloss­en. In der Schießstät­tenstraße sind noch immer zwei schwer gesicherte Eingänge zu sehen. Die Stollen dahinter sind für die Öffentlich­keit tabu. Aber das Technische Hilfswerk ist hin und wieder dort zu sehen.

Die Helfer des THW trainieren dort, sagt Dieter Seebach – zum Beispiel die Verletzten­suche. Dafür werden die dunklen Gänge teils noch vernebelt, die Retter tragen dabei Atemschutz­geräte. Wer einmal dort unten war, kann erahnen, dass das eine kniffelige Aufgabe ist. Doch es ist nichts im Vergleich zu dem, was die Menschen während des Krieges erlebten.

Auch in Tagen vor dem Einmarsch der Amerikaner verbrachte­n die Menschen dort viel Zeit. Es gab aber keinen Angriff mehr. Eine Gruppe mutiger Augsburger regelte die kampflose Übergabe der Stadt an die Amerikaner. Der Krieg war aus und die Menschen verließen die Schutzräum­e.

Geschichte erleben

Lage Die verschloss­enen Eingän ge zum Bunkersyst­em sind in der Schießstät­tenstraße zu sehen. Es gibt sporadisch Führungen, aktuell ist allerdings keine geplant.

Lesetipp Es gibt nicht viel Litera tur. Aber Stadthisto­riker Franz Häußler beschreibt im Buch „Augs burgs grüne Insel – Stadtgarte­n und Wittelsbac­herpark“auch den ehemaligen Bunker. Das Buch ist im Context Verlag erschienen und kostet 18,90 Euro.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Über Treppen geht es wieder hinaus ins Freie.
Foto: Silvio Wyszengrad Über Treppen geht es wieder hinaus ins Freie.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany