Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Ein Marktsonntag im Jahr sollte machbar sein“
Einzelhandel Das Turamichele-fest ging erstmals ohne verkaufsoffenen Sonntag über die Bühne. Wolfgang Puff vom Handelsverband zieht ein Fazit. Und er erklärt, warum er die Zeit für Gespräche gekommen sieht
Herr Puff, erstmals seit Langem fand das Turamichele-fest ohne damit verbundenen Marktsonntag statt. Wie fällt Ihr Fazit aus? Wolfgang Puff: Tatsächlich war am Sonntag in Augsburg überraschend viel los, obwohl das Wetter nicht richtig gut war. Das zeigt uns, dass die Menschen durchaus mobilisierbar sind, in die Stadt zu kommen.
Also geht das auch ohne verkaufsoffenen Sonntag? Puff: Aus meiner Erfahrung nehmen Kunden aus der Stadt, aber vor allem aus dem Umland gerne auch das Angebot eines Marktsonntags in Anspruch. Und hätten wir bei den vergangenen Marktsonntagen keine gute Frequenz in der Stadt und auch in den Geschäften gehabt, das Thema hätte sich ja von selbst erledigt.
Manche Einzelhändler sagen, dass ihre Ausgaben an einem Marktsonntag höher liegen als die Einnahmen ... Puff: Ob bei einem Marktsonntag jeder auf seine Kosten kommt, ist fraglich, ja. Das Geld fließt oft nicht sofort in die Kassen. Aber die Geschäfte können sich und ihr Angebot an einem solchen Tag präsentieren. Und wer nicht mitmachen möchte, der muss ja auch nicht. Aber die Kernstadt ist eben auch eine Symbiose aus vielem: Ohne die größeren sowie filialisierten Unternehmen könnten die kleinen Geschäfte nicht existieren, umgekehrt. gleichermaßen gilt das
Sie sagen, die Läden können sich am Marktsonntag präsentieren. Das könnten sie auch samstags ... Puff: Die Kunden, die wir brauchen, die bekommen wir am Sonntag. Leute, die von weiter her kommen, wollen sonntags nach Augsburg fahren, ohne zuhause noch irgendwelche Besorgungen machen zu müssen. Sonntags können sie in Ruhe durch die Stadt bummeln. Um uns herum, in Friedberg, Gersthofen, in der ganzen Region, gibt es erfolgreiche Marktsonntage, an denen die Geschäfte öffnen. In Nordrheinwestfalen gibt es derzeit sogar eine Gesetzesvorlage, die acht Marktsonntage erlauben will.
In Augsburg gibt es nur noch zwei – in Oberhausen und in Lechhausen. Die beiden verkaufsoffenen Sonntage in der Innenstadt wurden vor Gericht gekippt. Wie soll es jetzt weitergehen? Puff: Wichtig ist zunächst festzuhalten, dass wir in Bayern und damit auch in Augsburg gar nicht so weit gehen wollen wie in anderen Bundesländern, auch wenn dies fälschlicherweise häufig so verbreitet wird. Eine gegenseitige Kannibalisierung von Marktsonntagen will der Handel nicht, aber zumindest ein Marktsonntag in der Innenstadt, im Kernbereich, sollte machbar sein. Ich denke, dass das auch den Mitarbeitern zumutbar ist, die sich übrigens über eine zusätzliche Vergütung durchaus freuen. In der aktuellen Diskussion haben wir aber zwei Aspekte: Einerseits die Debatte, ob man überhaupt den Marktsonntag braucht, und andererseits die rechtlichen Hürden.
Die besagen, dass eine Veranstaltung wie das Turamichele ausreichend Besucher ziehen muss und nicht der Marktsonntag das „Lockangebot“sein soll. Lässt sich diese Hürde so einfach überwinden? Puff: Um einen Marktsonntag rechtlich haltbar zu machen, gibt es ja viele Begründungen. In Nordrheinwestfalen zum Beispiel ist eine mögliche Begründung die „Sichtbarmachung der Kernstadt“.
Puff: Das stimmt. Aber rund ums Turamichele-fest wäre das sicherlich darstellbar, weil es ein typisches Augsburger Fest ist. Beim Europasonntag sieht das schon anders aus.
Die Gewerkschaft Verdi und die Katholische Arbeitnehmer-bewegung, die gegen die verkaufsoffenen Sonntage geklagt hatten, sehen da wohl keinen Unterschied. Puff: Interessant ist ja, dass die Regelung für vier Marktsonntage aus dem Jahr 1956 stammt. Damals war man noch viel strenger. Wenn jemand damals sonntags nicht zur Kirche ging, war das gesellschaftlich nicht gerne gesehen. Wenn man sich die heutige Situation anschaut, wenn man also zum Beispiel von einem freien Marktsonntag ausginge: Da könnte, wer will, trotzdem in den Gottesdienst gehen. Der ist sonntags spätestens um 12 Uhr vorbei, der Marktsonntag beginnt um 13 Uhr. Und wie gesagt: Wir wollen dieses Instrument des Marktsonntags ja auch nicht überstrapazieren. Ausgehend von den Erfahrungen vom Sonntag: Was geschieht nun? Puff: Ich fände es richtig, nun mit allen das Gespräch zu suchen – auch mit der Kirche und der Gewerkschaft. Dann wird man sehen müssen, ob die Stadt aus den Erkenntnissen vom Wochenende eine Verordnung stricken kann, die zumindest den Marktsonntag zum Turamichele-fest möglich macht. Ein Marktsonntag nach unserer Vorstellung ist Marketinginstrument und Umsatzbringer, aber kein die Gesellschaft belastendes Ereignis, welches wie häufig geschehen gebrandmarkt werden darf. Puff: Bis zur Landtagswahl wird es keine Änderung der rechtlichen Situation geben. Deshalb wird der Handelsverband das Thema politisch auch erst danach angehen. Vielleicht gelingt es aber auf städtischer Ebene, mit gutem Willen aller Beteiligten und den Erfahrungen des vergangenen Sonntags zu einer Lösung im Sinne des Handels zu kommen.
Wolfgang Puff ist Haupt geschäftsführer des Han delsverbands Bayern und Geschäftsführer des Be zirks Schwaben