Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum Fundräder so begehrt sind
Auktion Das städtische Fundamt versteigert regelmäßig herrenlose Fahrräder. Gestern war es wieder so weit. Der Andrang war groß. Dabei haben viele der Interessenten bereits ein Bike zu Hause stehen. Weshalb sie dennoch ein zweites wollen
Jedes der 90 Fahrräder hat seine eigene Geschichte. Wie das weiße Damenrad mit den blauen Rauten. „Fundort Henisiusstraße, Kinderhaus Montessori, über Zaun geworfen“, steht auf dem Zettel, der im Korb auf dem Gepäckträger liegt. Die Stadt Augsburg hat gestern Morgen wieder einmal herrenlose Räder versteigert. An die hundert Interessenten kamen ins Depot im Ballenhaus im Textilviertel. Eines war dabei auffallend.
„Glückwunsch“, sagt Nadja Hohenadl zu David Weiss und meint es ehrlich. Der 22-Jährige hat die junge Frau soeben um fünf Euro überboten. Für 90 Euro ersteigerte der Student ein blaues Herrenrennrad. Draußen vor der Tür begutachtet er seinen neuen Drahtesel. „Damit werde ich ab sofort von Haunstetten an die Uni oder in der Stadt selbst herumfahren“, meint er. Denn für solche Strecken sei ihm sein teures Rennrad zu schade. „Das nehme ich nur für richtige Touren her.“Nadja Hohenadl, die im Bieterwettstreit das Nachsehen hatte, wollte das blaue Herrenrad für ihren Bruder erwerben. Der konnte Freitagmorgen nämlich nicht von seiner Arbeit weg. „Er hätte es auch für Stadtfahrten verwendet. Für seinen Triathlon hat er ein teures.“Es ist ein Muster, das bei vielen Interessenten unterschiedlichen Alters hier auf Nachfrage deutlich wird.
Viele nehmen ihr teures Mountainbike oder Trekkingfahrrad aus Angst vor Diebstahl nicht für Stadttouren. Dafür tut es ein Gebrauchtes für weniger Geld. „Ich brauche ein Schrottrad, wenn ich abends in der Stadt ausgehe. Mein Mountainbike, das neu 900 Euro kostet, ist mir dafür zu schade“, sagt auch der Augsburger Christoph Bitzl. Knapp 1300 Fahrräder wurden im vergangenen Jahr laut Polizei im Stadtgebiet als gestohlen gemeldet. Davon kamen 1150 auf öffentlichem Grund abhanden. Das ist eine Menge. Das merkt man auch beim städtischen Fundamt.
Bei ihnen würden immer mehr herrenlose Fahrräder landen, erzählt Jürgen Luttmann von der Fundstelle, der zusammen mit seinem Kollegen Franz Mundigl die Versteigerung leitet. Er erklärt sich die steigende Tendenz damit, dass eben so viele Räder geklaut würden. „Den Dieben wird es dann zu heiß und sie stellen das Rad irgendwo an einem Zaun ab.“Häufig sei dann das Problem, dass Besitzer ihre Räder nicht als gestohlen melden. Die Drahtesel können nicht zugeordnet werden und landen schließlich bei der Fundstelle. Rührt sich der Eigentümer nicht, geht nach einem halben Jahr das Eigentum an die Stadt über. „Bei uns kommt kaum jemand vorbei und fragt nach sei- nem Rad. Wie bei den Unmengen von herrenlosen Schlüsseln, die wir haben. Nicht einmal fünf Prozent davon werden abgeholt“, berichtet Mundigl. Bevor die Fundräder nach sechs Monaten in der Öffentlichkeit versteigert werden, bekommt der Finder das Vorrecht für einen Zuschlag. So auch am Donnerstag, am Tag vor der Versteigerung.
„Wir haben ein E-bike an den Finder gegen Gebühr ausgegeben“, berichtet Mundigl. Herrenlose E-bikes gebe es eher selten. Bei der Versteigerung am Freitag gibt es auch ein paar Ladenhüter. Bei einem Rad für Kleinkinder etwa schafft es Auktionator Mundigl mit Witz und Charme doch noch, jemanden zu fünf Euro zu bewegen. Bei anderen Rädern treiben sich die Mitbieter nach oben. Wie eben auch Student David Weiss. Er ist glücklich, für 90 Euro ein neues, altes Rennrad erstanden zu haben.
Fundsachen werden am Montag, 16. Oktober, im Pfarrsaal der Pfarrge meinde St. Max, Franziskanergasse 4, von 9 bis 12.30 Uhr versteigert.