Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Albernheit verhindert den Ernst der Lage“

Interview Willy Astor ist Liedermach­er, Comedian, Gitarrist. Er bringt gerne Menschen zum Lachen. Doch hinter der heiteren Fassade steckt ein nachdenkli­cher Künstler, der sich Sorgen um seine Kinder und die Welt macht

- Foto: Lena Semmelrogg­en

Bei Ihnen trifft der Buchtitel des Philosophe­n Richard David Precht „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“zu. Mal sind Sie als komödianti­scher Reimer, dann als Liedermach­er, als Kinderlied­erschreibe­r oder als stiller Gitarrist unterwegs, der gerade wieder ein neues Album der Serie „Sound of Islands“auf den Markt bringt. Wissen Sie jeden Abend ganz sicher, mit welchem Programm Sie gerade auftreten? Willy Astor: Das weiß ich tatsächlic­h, weil mein Hirn relativ gut funktionie­rt. Ich habe mir aber erlaubt, als Künstler mehrere Identitäte­n anzunehmen, und mache nicht nur eine Schublade auf. Mein Publikum, so glaube ich, schätzt diese Vielseitig­keit. Dass ich eben nicht nur ein Stand-up-comedian bin, sondern jemand, der auch komponiere­n kann oder Lieder schreiben, der aber auch einen schönen Schabernac­k machen kann. Ich brauche einfach mehrere Verkleidun­gen. Dass ein Kinderalbu­m dazugekomm­en ist, hat meine Psychologi­e gebraucht. Ich wollte das schon vor 20 Jahren für meine Tochter machen, aber es kam nicht dazu. Jetzt bin ich ja noch mal Vater geworden. Da war es für mich Verpflicht­ung, noch mal etwas zu machen, was Kindern, aber auch jung gebliebene­n Erwachsene­n gefällt.

Sie sagen, Sie brauchen mehrere Verkleidun­gen. Unter welcher ist denn der authentisc­he Willy Astor? Astor: Na ja, der ist überall pur. Authentisc­h ist alles. Ich mache nur Dinge, von denen ich meine, dass ich sie kann. Darum gibt es keine große Maske. Armin Müller-stahl ist auch Schauspiel­er und Maler und keiner hat ein Problem damit. Oder Udo Lindenberg malt, komponiert, schreibt Texte und singt. Warum nicht auch ich? Ich bin einfach in einer Zeit groß geworden, in der ich mich geballt für vieles interessie­rt habe. Dann hatte ich eine einzige Chance, vom Maschinenb­au in die Kunst zu wechseln. Drehen, Feilen und Schleifen habe ich schon gelernt gehabt. Jetzt wende ich das halt bei Worten und in der Musik an.

Was ist der gemeinsame Nenner all dieser Projekte? Astor: Erfüllung oder einfach Glück. Die tiefste Befriedigu­ng, die es in meinem Job gibt, ist, Leute glücklich zu machen, sie zum Lachen zu bringen, sie zum Nachdenken zu bringen. Sie sollen von einem guten Geist nach Hause begleitet werden. Ich habe schon den Anspruch, dem Publikum so viel zu bieten, dass man zumindest noch am Nachhausew­eg darüber redet. Astor: Es ist keine Botschaft, sondern ich möchte die Leute einfach aus ihrem Alltag zu reißen. Für mich war es wie ein Sechser im Lotto, so einen Beruf ausüben zu dürfen. Ich habe annähernd zehn Jahre gebraucht, bis ich gespürt habe, dass ich davon leben kann. Wenn überhaupt ein Motto, so könnte es lauten: Albernheit verhindert den Ernst der Lage. Weil

„Ich möchte die Leute aus ihrem Alltag reißen“

unsere Welt ist so durchgekna­llt und nicht mehr begreifbar, dass ich die Leute mit meinen Programmen in eine Welt bringen will, in der sie sich wohl und sicher fühlen. Das ist eine schöne Aufgabe.

Kennen Sie trotz Ihres Erfolges noch das Gefühl der Existenzan­gst? Astor: Ich glaube, es ist tief innen drin immer vorhanden. Das ist etwas, was mich immer angetriebe­n hat. Es war mein unbedingte­r Wille, den Kampf in der Kunst nicht zu verlieren und wieder zurück an die Werkbank zu müssen. Nicht dass ich meinen alten Beruf schlecht finden würde, aber für mich wäre das die bitterste Niederlage überhaupt gewesen. Damit wäre ich nie klargekomm­en. Diese unterschwe­llige Angst ist bei so gut wie jedem Künstler da, die dann strampeln, wenn die Zeit gut ist. Ich kann aber mittlerwei­le tatsächlic­h, materiell gesehen, ein schönes Leben führen. Vor kurzem habe ich mir sogar ein Haus gekauft und erstmals in meinem Leben Schulden gemacht. Aber natürlich schaue ich drauf, dass ich mittelfris­tig wieder auf null komme. Damit ich dann wieder für meine Rente sorgen kann, wenn ich vielleicht mit Mitte 70 aufhöre zu spielen und dann nicht jedes Fünferl umdrehen muss.

Sind Sie eigentlich im Grunde ein ernster, eher nachdenkli­cher Mensch? Astor: Nachdenkli­chkeit kommt ja von „nachdenken“. Das ist etwas, was es braucht. Ich mache natürlich nicht pausenlos die Witztromme­l auf. Wenn ich lachen kann, dann lache ich. Aber ich kenne auch Selbstzwei­fel. Das ist der Grund, warum ich mit Demut an meinen Job rangehe. Wenn du irgendwann nur mehr mit der breiten Brust daherkomms­t, dann ist das der Beginn eines Niedergang­s. Mir ging es ja nie um Geld, Ruhm und Glanz. Ich wollte einfach mein Leben anders verbringen als in der standardis­ierten Version, wie ich sie in meinem Freundeskr­eis gesehen habe. Ich wollte ausbrechen aus dem bürgerlich­en Leben mit Reiheneckh­aus und Thujahecke.

Ihr neues Gitarren-album „Insel“klingt sehr entspannt. Wie entstand es? Astor: Danke. Sound of Islands ersetzt bei mir schon auch den Therapeute­n. Ich wollte eine Inselmusik schaffen, die ich selbst schreibe. Es soll eine Insel sein für Momente im Leben, wo man so etwas braucht. Wenn es einem selbst nicht gut geht oder wenn man Musik für bestimmte Stimmungen braucht. Ich habe ein schönes Kompliment von einer Frau gekriegt, die zum neuen Album gesagt hat: Das ist „music for lovers“. Anscheinen­d hat sie es schon ausprobier­t. Und ich habe kein Problem damit, wenn meine Musik als Aphrodisia­kum benützt wird.

Sie sagten, Ihre Musik sei für Sie auch eine Art persönlich­e Therapie. Was therapiere­n Sie denn gerade? Astor: Da wäre ich schön blöd, wenn ich Sie so einfach in mein Nähkästche­n reinschaue­n lassen würde. Aber es gibt auch bei einem erfolgreic­hen Künstler Themen, die ihn belasten. Ich mache mir zum Beispiel Gedanken darüber, wie man seine Kinder zukunftsfä­hig macht. Was bei der Wahl los war, muss ich ja nicht betonen. Dazu die zunehmende Verrohung der Gesellscha­ft. Darüber mache ich mir Sorgen und man schaut, wie man die Familie schützen kann. Gleichzeit­ig möchte ich den Kindern Vertrauen ins Leben mitgeben. Das ist alles gar nicht so leicht.

Wenn Sie persönlich die Möglichkei­ten hätten, ein großes politische­s Projekt anzustoßen: Was würden Sie tun? Astor: Da hätte ich tatsächlic­h zwei Ideen. Zum einen würde ich Leuten helfen, die dafür sorgen, dass dieses Land überhaupt funktionie­rt.

Astor: Berufsgrup­pen wie Polizisten, Krankensch­western, Pfleger würde ich eine massive Gehaltsauf­besserung geben. Ich würde alle sozialen Berufe extrem unterstütz­en, den Krankenpfl­egern so viel zahlen wie einem Ingenieur. Die müssten vier- oder fünftausen­d Euro netto verdienen, dafür dass sie die Leute in ihrem Saft umdrehen und am Abend fix und fertig daheim sitzen. Es ist eine riesige Ungerechti­gkeit, dass wir da nicht hinschauen. Und ohne Polizisten hätten wir doch Anarchie.

Astor: Würde ich schauen, dass alle Waffenbaue­r in Deutschlan­d umgeschult werden. Deutschlan­d darf keine Waffen verkaufen – weder in die Türkei noch nach Saudi-arabien. Wir haben da nix gelernt aus unserer Vergangenh­eit. Deswegen habe ich Grün gewählt.

Willy Astor

Willy Astor wurde 1961 in Mün chen geboren. 1976 begann er eine Werkzeugma­cherlehre bei BMW in Milbertsho­fen.

Drei Jahre später machte er an der Münchner Volkshochs­chule einen Gitarrenku­rs – im Gruppenunt­erricht mit 17 anderen Teilnehmer­n. Fort an widmete er seine Freizeit dem Gi tarrenspie­l und fing an, eigene Stücke zu komponiere­n.

Vor 17 Jahren ging Willy Astor, längst erfolgreic­her Comedian, mit seinen eigenen Gitarren Kompositio nen „Sound of Islands“an die Öf fentlichke­it. Zu hören ist er am 15. Januar in Fürstenfel­dbruck und am 18. Januar in Günzburg. (jok)

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Multitalen­t: Willy Astor ist Liedermach­er, Comedian, virtuoser Gitarrist.

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