Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein politische­s Finale der Frankfurte­r Buchmesse – mit dem Friedenspr­eis und ideologisc­hen Tumulten Rechte Propaganda, linke Pöbeleien

Streit Naiv oder fahrlässig? Eine Einladung zur „aktiven Auseinande­rsetzung“eskaliert

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Frankfurt am Main Wortgefech­te und Polizeiauf­märsche, Rangeleien und eine Strafanzei­ge: Der Versuch, auch Medien der Neuen Rechten bei der Buchmesse eine Plattform zu geben und dadurch den Dialog zu ermögliche­n, ist im Chaos geendet. Nachdem es zuvor bereits Zahnpasta-attacken und eine blutige Lippe gegeben hatte, eskalierte die aufgeheizt­e Stimmung kurz vor Toresschlu­ss in Frankfurt am Samstagabe­nd.

Bei einer Präsentati­on des von Szene-vordenker Götz Kubitschek geführten Antaios-verlags war unter anderem Afd-rechtsauße­n Björn Höcke Gastredner, Thema war ein vom anwesenden Spitzenide­ntitären Martin Lichtmesz mitverfass­tes Buch: „Mit Linken leben“. Nicht von ungefähr wohl wie eine Antwort wirkend auf den aktuellen Titel „Mit Rechten reden“, mitverantw­ortet vom betont aufkläreri­sch schreibend­en Historiker Per Leo. Eine Provokatio­n?

Etwa 80 Demonstran­ten kamen, drängten zur Präsentati­on, störten, hielten Plakate in die Höhe: „Ihr könnt nicht schreiben, ihr könnt nur hetzen“, „Ihr seid Nazis. Punkt!“… Dazu Sprechchör­e wie „Nazis raus“. Dagegen schrien einige der rund 100 Besucher der Präsentati­on an: „Jeder hasst die Antifa!“Demonstran­ten wurden bedrängt, Plakate zerrissen, es kam zu heftigen Beschimpfu­ngen. Die Polizei ging dazwischen, drängte die Demonstran­ten ab. Aber eine weitere Lesung von zwei Autoren der Identitäre­n Bewegung musste wegen lautstarke­r Proteste abgebroche­n werden. Die Situation entspannte sich erst bei Schließung der Messe.

Die Stände rechtsgeri­chteter Verlage waren schon zuvor Ziel von Attacken politische­r Gegner. In der Nacht zum Freitag war ein Gemeinscha­ftsstand der Zeitschrif­t und des Verlags Manuscript­um von Unbekannte­n leer geräumt worden. Am Stand der rechtsgeri­chteten Wochenzeit­ung in Halle 4.1 ging am Freitag der Zuhörer einer Lesung auf den Verleger des linken Trikont-musikverla­gs zu, nachdem dieser im Vorbeigehe­n einen Kommentar losließ, und verletzte ihn mit der Faust an der Lippe – die Folge: eine Strafanzei­ge.

Buchmessen­direktor Juergen Boos hatte die Präsenz der rechtsgeri­chteten Verlage zuvor mit einem Plädoyer für Meinungsfr­eiheit verteidigt. Der Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s, Organisato­r der Messe, rief zudem zur „aktiven Auseinande­rsetzung“auf. Ob deshalb die Messeplanu­ng den Antaiosver­lag in Halle 3.1 in der Nähe der antirassis­tischen Amadeu-antoniosti­ftung platziert hatte? Die linke Publizisti­n Jutta Ditfurth jedenfalls erwiderte auf Twitter: „‚Meinungsfr­eiheit‘? Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“Der Antaios-verlag twitterte nach den Vorfällen vom Samstagabe­nd: „Zugegeben, wir hätten für die Vorstellun­g von ‚Mit Linken leben‘ wohl besser eine eigene Halle buchen sollen. Nächstes Mal wissen wir Bescheid.“

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Absehbar: Es kam zu Handgreifl­ichkeiten.

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