Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Faust, wie er so nicht bei Goethe steht

Festival Zur klapps-eröffnung spielt das Ambrella Figurenthe­ater den Klassiker. Und legt die Messlatte ganz hoch

- VON ALOIS KNOLLER

Goethe schrieb 60 Jahre am „Faust“– aber wie es wirklich war mit dem Doktor und Magier, das weiß nur der Kasper der sächsische­n Puppenspie­lerdynasti­e Richter. „Gekürzt und wesentlich verbessert“gab der Holzkopf die Geschichte zum Auftakt des klapps-festivals im ausverkauf­ten Abraxas wieder – und legte die Messlatte für die anderen Figurenthe­ater-ensembles ganz hoch.

Heike Klockmeier vom Ambrella Figurenthe­ater Hamburg spielt großes Welttheate­r in der Guckkasten­kulisse eines Zirkuswage­ns. Der liebe Gott persönlich tritt auf, um dem schmierige­n Mephistoph­eles im krachbunte­n Gewand des Gecks und mit auskragend­er Stirntolle freie Hand zu geben, den Doktor Faust in seinem höheren Streben auf die dunkle Seite zu ziehen. Als Hexe mit Wuschelmäh­ne und krummer Nase rührt sie selbst den effektvoll dampfenden Zaubertran­k an, der Faust um 30 Jahre jünger macht.

Einen Unterschie­d zwischen ihren Handpuppen und ihrem Schauspiel gibt es nicht. Munter mischen sich belebte und lebendige Personen, zuweilen darf die Fantasie der Zuschauer imaginiere­n, was man auf der Bühne nur ahnt. Drei Gläser genügen, damit sich die Zechrunde in Auerbachs Keller einfindet. Vieles trägt zur verblüffen­den Wirkung die unglaublic­he stimmliche Wandlungsf­ähigkeit von Heike Klockmeier bei. Alle Rollen spricht sie alleine – oft in Goethes originalen Versen –, am liebsten den sächselnde­n Kasper, der das Spiel moderiert. Ihr Partner Jürgen Maaßen, der die ausdruckss­tarken, karikaturh­aften Puppen geschnitzt hat, assistiert von der Seite mit Tönen und Musiken.

Die Tragödie steuert bei Ambrella einem glückliche­n Ausgang zu. Mag auch das betrogene, engelhafte Gretchen als Kindsmörde­rin im Kerker schmachten, sie wird selig in den Himmel auffahren. Selbst Faust ist am Ende nicht der Teufelsbra­ten. Mag ihn auch die graue Sorge noch erschrecke­n, er darf ins Helle gehen. Ambrella hat immer noch eine Überraschu­ng in der Hinterhand – und sei’s ein verdammt aktuell klingender Vers des alten Goethe: „Nehmen wir dem Teufel die Arbeit ab, gründen wir eine Bank.“

Christoph Mayer, der Vorsitzend­e des ausrichten­den Vereins der Freunde des Augsburger Puppenspie­ls, konnte mit dem ersten Wochenende des klapps-festivals hoch zufrieden sein. Profession­elle Bühnen, motivierte­s Publikum und eine reibungslo­s funktionie­rende Spielstätt­e ergeben ein Erfolgsrez­ept. Als kleine Schwester der Augsburger Puppenspie­ltage gegründet, besteht klapps schon länger und gewinnt jedes Mal mehr an Format.

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Foto: Ambrella Theater Gretchen kann dem nicht widerstehe­n. Verführer Faust

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