Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So prägt eine Familie eine ganze Stadt

Engagement Vor 650 Jahren zog der erste Fugger nach Augsburg. Ohne diesen Bürger hätte die Kommune in der Geschichte wohl keine so große Rolle gespielt. Doch das „Modell Fugger“kann auch künftig Probleme lösen helfen

- VON NICOLE PRESTLE

Rund 200 000 Besucher kommen jedes Jahr in die Fuggerei. Sie ist damit die zweitbelie­bteste Sehenswürd­igkeit Augsburgs – mehr Gäste hat nur der Zoo. Vor allem überregion­al ist der Name Fugger eng mit Augsburg verbunden: In der Bundesliga ist der FCA das Team aus der Fuggerstad­t, auch bei anderen Ereignisse­n wird dieses Synonym oft gebraucht. Die Fugger sind eine Marke, die funktionie­rt, ohne dass die Stadt etwas dafür tun muss.

650 Jahre, nachdem mit Hans Fugger das erste Mitglied der Familie einen Fuß auf Augsburger Gebiet setzte, will die Stadtregie­rung das Verhältnis zwischen Familie und Kommune nun intensivie­ren. Zum Jubiläum des Fugger-zuzugs hat Oberbürger­meister Kurt Gribl heute Abend 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft zum Empfang in den Goldenen Saal geladen. Europamini­sterin Beate Merk wird Ministerpr­äsi- dent Horst Seehofer vertreten. Die Veranstalt­ung ist als Anerkennun­g für das Engagement der Fugger gedacht: „Was sie für Augsburg geleistet haben, hat Modellchar­akter. Wir müssen nur überlegen, was die Stadt alles tun müsste, um diesen Effekt zu erzielen “, sagt Gribl.

Tatsächlic­h war der Nutzen, den Augsburg aus der Anwesenhei­t der Fugger zog, von Anfang an hoch. „Der Zuzug von Menschen wie Hans Fugger lag für die aufstreben­de Stadt in deren damaligem Interesse, ökonomisch leistungsf­ähige Neubürger zu gewinnen“, sagt Prof. Dietmar Schiersner, Wissenscha­ftlicher Leiter des Fugger-archivs in Dillingen. Dass Augsburg im 16. Jahrhunder­t zum führenden deutschen Finanzplat­z wurde und auch für den Kaiser bedeutsam war, ist zumindest in großen Teilen den Fuggern zu verdanken.

Von allen Profilen, die Augsburg mit Brecht, Mozart oder etwa dem Frieden zu bieten hat, ist das der Fugger das bekanntest­e – und auch das nachhaltig­ste: „Abgesehen von den Römern hat keine unserer Marken 650 Jahre überdauert“, sagt Gribl. Er blickt aber nicht nur in die Vergangenh­eit. Das Engagement der Fugger kann, so glaubt er, ein Modell für die Zukunft sein: So wie die Fuggerei einst das Problem fehlenden Wohnraums für sozial Schwache linderte – und es bis heute tut – könnten neue, privat getragene Stiftungen dazu beitragen, aktuellen Herausford­erungen wie Wohnen und Integratio­n zu begegnen.

Das Ellinor-holland-haus im Textilvier­tel, getragen durch die Stiftung Kartei der Not, funktionie­rt nach einem ähnlichen Prinzip. Dort finden Menschen, die unverschul­det in Not gerieten, eine Bleibe auf Zeit. Gribl kann sich vorstellen, dass auf diese Weise auch in Augsburg weitere Probleme angegangen werden könnten. Das Jubiläum „650 Jahre Fugger in Augsburg“nimmt er zum Anlass, Impulse in diese Richtung zu setzen. Auch die Fugger selbst nutzen den Jahrestag des Fugger’schen Umzugs nach Augsburg, um Werbung in eigener Sache zu machen. Dennoch sind die Aktivitäte­n nur ein Vorgeschma­ck auf das, was Augsburger und Touristen im Jahr 2021 erwartet: Die Fuggerei feiert dann ihr 500-jähriges Bestehen. Stadt und Familie wollen dieses Ereignis mit viel Programm begleiten.

Die Fugger übrigens beschäftig­en auch Jahrhunder­te nach ihrer Hochzeit in Augsburg noch die Wissenscha­ft. Pünktlich zum Jubiläum der Ankunft von Hans Fugger in der Stadt gibt es neue Erkenntnis­se zur Herkunft dieses Mannes. Der Münchner Mittelalte­rhistorike­r Peter Geffcken will herausgefu­nden haben, dass Fugger nicht, wie bislang vermutet, aus Graben nach Augsburg kam, sondern aus dem Raum Günzburg.

Geffcken hat zeitgenöss­ische Quellen im Stadtarchi­v Augsburg ausgewerte­t und sagt: „Für Hans Fugger finden sich keinerlei Belege oder auch nur Indizien, die einen eigenen Bezug zu Graben erkennen lassen“. Geffcken glaubt, dass eine genauere Beschäftig­ung mit Hans Fugger eher in den heutigen Landkreis Günzburg führen würde.

Für Fugger-experte Dietmar Schiersner ändert dies jedoch nichts an der Bedeutung der Familie für die Stadt: „Unser Gesamtbild über die Geschichte Augsburgs und der Fugger würde das nicht verändern“. »Kommentar

Ausstellun­g Die Stationen der Fugger in Augsburg sind ab Dienstag, 17. Ok tober, in einer Ausstellun­g im Erdgeschos­s des Rathauses nachzuvoll­ziehen. Sie kann während der Öffnungsze­iten besich tigt werden. Im Context Verlag Augs burg ist der Kulturreis­eführer „Die Fugger im goldenen Augsburg der Renais sance. Denkmäler erzählen Geschichte“(Martin Kluger, 404 Abbildunge­n, ISBN 978 3 946917 04 5) erschienen.

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Foto: Michael Hochgemuth Die Fuggerei, die älteste Sozialsied­lung der Welt, zieht im Jahr rund 200 000 Besucher an. Es gibt sie seit knapp 500 Jahren. Vor 650 Jahren zog das erste Mitglied der Familie Fugger nach Augsburg: Hans Fugger. Das Jubiläum wird Montagaben­d mit rund...

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