Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Mann mit langem Atem

Porträt Niedersach­sens Ministerpr­äsident zeigt, dass die SPD noch gewinnen kann. Seine Karriere verläuft still, aber stetig – führt sie ihn nun auch in die Bundespoli­tik?

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Plötzlich ist Stephan Weil einer der ganz großen Hoffnungst­räger der deutschen Sozialdemo­kratie. Galt der 58-jährige niedersäch­sische Ministerpr­äsident bislang in der Bundes-spd als Mann der zweiten oder gar dritten Reihe, tritt er nun ins Rampenlich­t. Drei Wochen nach dem historisch­en Debakel der SPD bei der Bundestags­wahl hat er gezeigt, dass seine Partei das Siegen noch nicht verlernt hat.

Nachdem die Niedersach­senspd noch vor wenigen Wochen in Umfragen zwölf Prozent hinter der CDU lag, gelang Weil eine furiose Aufholjagd. In einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf behielt er auch unter Druck die Nerven, seine SPD ist künftig stärkste Kraft im Landtag. „Sturmfest und stark“, wie es auf den Spdplakate­n neben dem Konterfei des Spitzenkan­didaten stand, trotzte Weil den Widrigkeit­en, die begannen, als er durch den Wechsel einer Grünen-abgeordnet­en zur CDU die knappe Mehrheit seiner Regierung verlor. Doch in den Wochen vor den vorgezogen­en Neuwahlen gelang es Weil, den heftigen Gegenwind ins eigene Segel zu leiten.

Das Manöver der abtrünnige­n Grünen Elke Twesten empfanden viele Niedersach­sen als unfein und schäbig. Und entschiede­n sich für die Partei des seit 2013 amtierende­n Ministerpr­äsidenten. Den seine Gegner bieder, blass und provinziel­l nennen. Für seine zahlreiche­n Anhänger aber ist Stephan Weil eben bescheiden und bodenständ­ig. Eigenschaf­ten, die beim als nüchtern geltenden Menschensc­hlag der Norddeutsc­hen Tiefebene hoch im Kurs stehen. Dass Weil einer ist, dem im Leben nichts geschenkt wurde, macht ihn vielen Landsleute­n sympathisc­h. Seine Eltern waren als Flüchtling­e aus Oberschles­ien gekommen. Nach dem Abitur und dem Jurastudiu­m arbeitete der gebürtige Hamburger als Rechtsanwa­lt, Richter und Staatsanwa­lt. Seit drei Jahrzehnte­n ist er mit einer Professori­n der Erziehungs­wissenscha­ft verheirate­t, das Paar hat einen erwachsene­n Sohn. Seit 37 Jahren ist der Hobbyläufe­r Weil, der regelmäßig im Stadtwald von Hannover seine Runden dreht, Mitglied der SPD. Langen Atem bewies er auch in seiner kommunalpo­litischen Karriere. In Hannover machte sich Weil zunächst neun Jahre als solider Kämmerer einen Namen. 2006 wurde er dann zum Oberbürger­meister der Landeshaup­tstadt gewählt. Ruhig und besonnen führte er sein Amt, sodass er 2013 schließlic­h auch als Ministerpr­äsident das Vertrauen bekam. Für den Fußballfan mit Dauerkarte bei Hannover 96 der Aufstieg in eine höhere politische Liga.

Mit seiner Wiederwahl kann Weil nun seine stille, aber stetige Erfolgsges­chichte fortschrei­ben. Gerhard Schröder, einst ebenfalls niedersäch­sischer Ministerpr­äsident, der als sein politische­r Entdecker gilt, prophezeit­e Weil einst eine große bundespoli­tische Karriere. Der Exkanzler könnte womöglich recht behalten.

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