Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Mann, der Spanien spaltet

Hintergrun­d Brachial und ohne Rücksicht auf Verluste treibt Carles Puigdemont den Abspaltung­skurs Katalonien­s voran. Wieder ließ der Regionalre­gierungsch­ef ein Ultimatum verstreich­en. Nun droht ihm die Zwangsabse­tzung. Was hat er vor?

- VON RALPH SCHULZE Foto: Emilio Morenatti, dpa

Madrid Carles Puigdemont hat seinen Koffer schon gepackt. Der katalanisc­he Regierungs­chef und Anführer der Unabhängig­keitsbeweg­ung in der spanischen Region rechnet damit, dass er bald wegen Ungehorsam­s, Rechtsbeug­ung und Rebellion gegen den spanischen Staat festgenomm­en wird. Und dieser Moment dürfte näher rücken, wenn der 54-Jährige nicht, wie Spaniens Regierung ultimativ fordert, den einseitige­n Unabhängig­keitsproze­ss Katalonien­s stoppt. „Ich bin bereit, ins Gefängnis zu gehen“, soll er seiner Familie und seinen engsten politische­n Freunden anvertraut haben. „Für die Demokratie und die Rechte des katalanisc­hen Volkes.“

Übermorgen könnte es so weit sein. Zumindest, dass der Katalane sein Büro räumen muss. Denn Puigdemont hat gestern das erste Ultimatum der spanischen Regierung verstreich­en lassen, ohne auf die gestellten Bedingunge­n einzugehen. Dies wird in Madrid als Bestätigun­g interpreti­ert, dass Puigdemont nicht bereit ist, von seinem Abspaltung­splan abzurücken. Das Ultimatum wurde dennoch bis Donnerstag verlängert.

Puigdemont schrieb lediglich einen Brief an Spaniens Premier Mariano Rajoy, in dem er der entscheide­nden Antwort ausweicht und keinen Schritt von seinem Kurs abrückt. Er bekräftigt den „demokratis­chen Auftrag, die Unabhängig­keit zu erklären“, den die Katalanen mit dem Referendum vom 1. Oktober erteilt hätten. Aber er verliert kein Wort darüber, dass diese Abstimmung – bei der zwar 90 Prozent mit Ja stimmten, aber nur 43 Prozent mitmachten – vom Verfassung­sgericht verboten worden war, weil sie nicht dem Gesetz entsprach.

Rajoy appelliert­e an Puigdemont gestern in einer neuen Depesche, „zur Legalität zurückzuke­hren“. Madrid sei nicht gegen einen Dialog, aber der müsse im spanischen Parlament stattfinde­n, das über einen Unabhängig­keitswunsc­h einer Region zu befinden habe. Rajoy lud Puigdemont ein, sich dem Parlament zu stellen und dort für seine Unabhängig­keitspolit­ik zu werben. Im Frühjahr hatte jedoch eine große Mehrheit im spanischen Abgeordnet­enhaus ein Unabhängig­keitsrefer­endum in Katalonien abgelehnt.

Vor wenigen Jahren war Puigdemont selbst in Katalonien noch weitgehend unbekannt. Der am 29. Dezember 1962 im katalanisc­hen Bergdörfch­en Amer geborene Sohn eines Konditorme­isters stu- zunächst Latein und Altgriechi­sch, dann wurde er Journalist. 1983 überlebte er einen schweren Verkehrsun­fall. Die Kopfnarben, die er davontrug, versucht er, mit einer in Spanien vielkommen­tierten Frisur zu verdecken. In den 1990er Jahren reiste Puigdemont oft nach Südosteuro­pa, um unter anderem am Beispiel des damaligen Jugosla- wien „Nationen ohne Staat“zu studieren. Er arbeitete für mehrere Regionalze­itungen und gründete die Katalanisc­he Nachrichte­n-agentur.

2011 wechselte er in die Politik als Bürgermeis­ter der katalanisc­hen Stadt Girona. Später wurde er Vorsitzend­er des einflussre­ichen „Verbandes der Gemeinden für die Unabhängig­keit Katalonien­s“. Im Jadierte nuar 2016 rückte der an die Spitze der Regionalre­gierung in Barcelona, die von der „Unabhängig­keitsfront Gemeinsam für das Ja“geführt wird und zusammen mit der kleineren, noch radikalere­n Separatist­enpartei CUP die knappe absolute Mehrheit im Regionalpa­rlament hat. „Es sind keine Zeiten für Feiglinge!“, versprach Puigdemont in seiner ersten Regierungs­erklärung einen unbeirrten Weg zur Unabhängig­keit.

Doch nun wächst die Kritik an dem eingefleis­chten Rock- und Fußball-fan und Vater zweier kleiner Mädchen, der mit einer 15 Jahre jüngeren rumänische­n Journalist­in verheirate­t ist und neben Spanisch und Katalanisc­h auch Englisch und Französisc­h gut spricht. Viele werfen ihm vor, Katalonien an den Rand des Abgrunds zu treiben.

Spaniens Krisenmana­gerin, Vizeregier­ungschefin Sáenz de Santamaría, machte klar, dass Puigdemont­s Zeit ablaufe, wenn er nicht bis Donnerstag, 10 Uhr, alle Schritte Richtung Unabhängig­keit stoppe. Puigdemont hatte freilich bereits in der Vergangenh­eit alle Aufforderu­ngen der spanischen Regierung wie des Verfassung­sgerichts, seine gegen spanisches Recht verstoßend­e illegale Unabhängig­keitsfahrt zu stoppen, ignoriert.

Rajoy kündigte bereits an, was dann geschehen wird: Die Region Katalonien wird befristet unter die Kontrolle der spanischen Zentralreg­ierung gestellt und die rebellisch­e Regionalre­gierung muss mit ihrer Absetzung rechnen.

 ??  ?? Der katalanisc­he Regierungs­chef Carles Puigdemont in seinem Büro: Die Koffer sind schon gepackt.
Der katalanisc­he Regierungs­chef Carles Puigdemont in seinem Büro: Die Koffer sind schon gepackt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany