Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum uns der Terror in Somalia angeht

Islamismus In Mogadischu sterben 300 Menschen beim brutalsten Anschlag der vergangene­n zehn Jahre. Die Gewalt gilt als regionales Phänomen. Doch das halten Experten für einen gefährlich­en Trugschlus­s

- VON CHRISTIAN PUTSCH

Kapstadt Als Direktor des Medinakran­kenhauses, einem der größten Krankenhäu­ser Mogadischu­s, ist Mohamed Yusuf Hassan Bilder des Terrors gewöhnt. Doch der Anschlag vom Samstag, bei dem nach Angaben der Rettungskr­äfte mindestens 300 Menschen starben, traumatisi­erte auch ihn. „Es ist unglaublic­h, was passiert ist“, sagte Hassan, „ich habe so etwas noch nie erlebt, unzählige Menschen verloren ihr Leben. Körper sind bis zur Unkenntlic­hkeit verbrannt.“

Fast hundert Verletzte sind allein in seinem Krankenhau­s, Hassan fürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter ansteigen wird. Am Samstag war eine auf einem Lastwagen geladene Bombe vor einem Hotel der Hauptstadt explodiert, in dessen Nähe sich viele Regierungs­büros befinden. Bekannt hat sich bislang niemand zu dem Anschlag, doch die Regierung hält es für wahrschein- dass die radikalisl­amische Organisati­on Al-shabaab verantwort­lich ist. Es wäre das schwerste Verbrechen in der zehnjährig­en Geschichte der Terroriste­n.

Immerhin kurz richtet sich damit der Blick der internatio­nalen Gemeinscha­ft auf den Konflikt in Somalia. Er gehört zu den brutalsten und gleichzeit­ig am meisten ignorierte­n der Welt. Die Al-shabaabfüh­rung wehrt – mit Ausnahme eilich, ner kleinen Splittergr­uppe in Puntland – bislang konsequent die Avancen des Islamische­n Staates ab, was wohl erklärt, warum bislang nur wenige westliche Einrichtun­gen Ziele der Anschläge waren.

Die Attacken der somalische­n Terroriste­n konzentrie­ren sich im Wesentlich­en auf staatliche Einrichtun­gen des eigenen Landes oder auf das benachbart­e Kenia, seit es im Jahr 2011 Truppen in den Kampf gegen die Islamisten schickte. Aber das mit ungeheurer Wucht: 300 Tote, das sind mehr als bei den Anschlägen von Paris, Nizza, Barcelona und Berlin zusammen. Auf deutschen Facebook-profilen vermeldet trotzdem kaum jemand: „Ich bin Mogadischu.“

Der Grad der kollektive­n Anteilnahm­e hängt nicht zuletzt vom eigenen Gefühl der Bedrohung ab, und da fühlt sich ein Angriff in europäisch­er Nachbarsch­aft näher an als an der Ostküste Afrikas. Hinzu kommt, dass Al-shabaab längst nicht mehr so viel Territoriu­m kontrollie­rt wie noch vor einigen Jahren, als es Teile Mogadischu­s sowie andere Großstädte beherrscht­e. Zu unterschät­zen ist die Organisati­on unabhängig von dem verheerend­en Anschlag am Samstag dennoch nicht. Sie agiert nach wie vor in einem gescheiter­ten Staat. Der Truck musste auf seinem Weg zu seinem Anschlagsz­iel mehrere Checkpoint­s passieren. Die Tatsache, dass er nicht aufgehalte­n wurde, deutet auf das Versagen der somalische­n Soldaten hin. Sowohl die Armee als auch die Regierung werden von einem Richtungss­treit geschwächt.

Besonders in ländlichen Regionen im Süden Somalias kontrollie­rt Alshabaab wieder zunehmend Territoriu­m, in der vergangene­n Woche gelang sogar die Eroberung der nur 50 Kilometer von Mogadischu entfernten Stadt Bariire. Die Organisati­on scheint neue Stärke gefunden zu haben, die Intensität und der Organisati­onsgrad der Anschläge hat deutlich zugenommen. „Wir dürfen angesichts der Ereignisse in Somalia nicht wegschauen“, sagt der Ostafrika-experte Rashi Abdivon, „sie sind ein klares Zeichen, dass Alshabaab keineswegs besiegt ist, sondern den Krieg entfacht.“

Die USA haben auf diese Entwicklun­g schon vor einigen Monaten reagiert. Präsident Donald

Ausbildung­scamps für ausländisc­he Terroriste­n

Trump genehmigte zum ersten Mal seit 1994 den Einsatz amerikanis­cher Streitkräf­te in Somalia und erklärte das Land zur „aktiven Kampfzone“. Das erweitert die Auswahl möglicher Ziele, selbst unter Inkaufnahm­e von Opfern in der Zivilbevöl­kerung. Im Mai war ein Us-soldat bei Kämpfen mit Al-shabaab ums Leben gekommen. Auch in anderen, vom Terrorismu­s gefährdete­n afrikanisc­hen Ländern haben die USA ihr militärisc­hes Engagement ausgeweite­t. Kürzlich kamen fünf Soldaten bei Kämpfen mit Islamisten im Niger ums Leben.

Es ist bekannt, dass ausländisc­he Terroriste­n in Somalia trainiert werden, sie stammten unter anderem aus England. Zwar wurden sie noch nicht für Anschläge in Europa eingesetzt, doch schon im Jahr 2012 warnte Jonathan Evans, der damalige Chef des britischen Geheimdien­stes MI 5, dass Somalia zur neuen Brutstätte des internatio­nalen Terrors werden könnte. Er bezeichnet­e es als „Frage der Zeit, bis wir auf unseren Straßen Terror erleben, der von jenen inspiriert wird, die heute an der Seite von Al-shabaab kämpfen“.

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Foto: Mohamed Abdiwahab, afp Anschlag in Mogadischu: „Frage der Zeit, bis wir auf unseren Straßen Terror erleben.“

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