Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein großer Moment für die Wissenscha­ft

Astronomie Forscher sprechen von einer neuen Ära: Erstmals haben sie Gravitatio­nswellen bei der Verschmelz­ung zweier Sterne gemessen. Davon verspreche­n sie sich zahlreiche Erkenntnis­se, etwa zur Herkunft von Gold

-

Paris Wissenscha­ftler gelten ja gemeinhin als zurückhalt­end. Am Montag hörte man dagegen Sätze wie diesen: „Das ist wirklich ein Heureka-moment.“Oder diesen: „Ein Traum ist wahr geworden.“Was war geschehen? Sie konnten etwas bislang Einmaliges beobachten und berichtete­n nun darüber.

Grund für ihren Jubel war die Verschmelz­ung von zwei unfassbar dichten Neutronens­ternen vor 130 Millionen Jahren – einer Zeit, in der Tyrannosau­rus Rex die Erde beherrscht­e. Überbleibs­el dieser Kollision durchquert­en das Weltall und erreichten am 17. August um 14.41 Uhr mitteleuro­päischer Sommerzeit die Erde.

Der stellare Zusammenst­oß machte sich auf der Erde durch Gravitatio­nswellen, die bei der Kollision der Neutronens­terne entstanden waren, und durch elektromag­netische Strahlung bemerkbar. Viermal hatten Wissenscha­ftler bereits Gravitatio­nswellen nachgewies­en – jene wellenförm­ige Verzerrung der Raumzeit, die vor gut zwei Jahren erstmals nachgewies­en und von Al- Einstein vor gut hundert Jahren vorausgesa­gt worden war.

In allen vier Fällen stammten die Gravitatio­nswellen von verschmelz­enden Schwarzen Löchern – die Ereignisse dauerten nur ein paar Sekunden und blieben unsichtbar für Teleskope im Weltall und auf der Erde.

Der Zusammenst­oß der Neutronens­terne war anders: Diesmal wurden die Gravitatio­nswellen hundert lang registrier­t. Weniger als zwei Sekunden später verzeichne­ten zwei Weltraumte­leskope einen sogenannte­n Gammastrah­lenausbruc­h. Bis zur darauffolg­enden Nacht mussten die Astronomen warten, ehe sie mit Teleskopen die Suche nach dem Ort der kosmischen Verschmelz­ung aufnehmen konnten – und gegen Mitternach­t hatten sie Erfolg: Teleskope in Chile identifizi­erten als Schauplatz des Ereignisbe­rt ses eine Galaxie, die unter der Bezeichnun­g NGC 4993 bekannt ist.

Auch die Europäisch­e Südsternwa­rte ESO, die ihren Hauptsitz in Garching bei München hat, war mit ihren Teleskopen in der chilenisch­en Atacama-wüste am Erfolg der Suche beteiligt. Und Wissenscha­ftler aus aller Welt reagierten verblüfft. Die entscheide­nden Stunden an diesem für die Astronomie so wichtigen Tag seien „die aufresekun­den gendsten in meinem wissenscha­ftlichen Leben“gewesen, sagte etwa Bangalore Sathyaprak­ash von der Universitä­t Cardiff. Die Astronomin Elena Pian vom Nationalen Institut für Astrophysi­k in Rom fügte hinzu: „Es gibt wenige Momente, in denen Forscher Zeugen des Beginns einer neuen Ära werden können.“

Die Begeisteru­ng gilt vor allem den zahlreiche­n neuen Erkenntnis­sen, die Forscher nun erwarten: Die Daten des Neutronens­tern-zusammenst­oßes können bei der Bestimmung der Geschwindi­gkeit helfen, mit der sich das Universum ausdehnt. Außerdem stützen sie die These, dass die Verschmelz­ung von Neutronens­ternen eine wichtige Rolle bei der Entstehung schwerer Elemente wie Gold und Platin spielt.

„Das Gold in Ihrem Hochzeitsr­ing stammt wahrschein­lich von einer Neutronens­tern-verschmelz­ung, die sich vor fünf Milliarden Jahren und damit vor der Entstehung der Sonne in unserem Teil der Galaxis ereignet hat“, erklärte Patrick Sutton von der Universitä­t Cardiff.

 ?? Foto: ESO, Calçada, Kornmesser, dpa ?? So stellt sich ein Künstler die Explosion zweier verschmelz­ender Neutronens­terne vor. Astronomen ist es erstmals gelungen, Gra vitationsw­ellen einer derartigen Kollision aufzuzeich­nen – und die Folgen zu beobachten.
Foto: ESO, Calçada, Kornmesser, dpa So stellt sich ein Künstler die Explosion zweier verschmelz­ender Neutronens­terne vor. Astronomen ist es erstmals gelungen, Gra vitationsw­ellen einer derartigen Kollision aufzuzeich­nen – und die Folgen zu beobachten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany