Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hoch hinaus und tief hinab

Eine Reise ins französisc­he Périgord noir wird zum Erlebnis für alle Sinne

- VON ROXANA HARTL

Die Dordogne und die Vézère schlängeln sich durch grüne Täler. Weitläufig­e Wälder prägen die Landschaft, urige Städtchen schmiegen sich an steile Felswände: Die Szenerien des Périgord noir könnten aus einem Bilderbuch stammen. Auf den Spuren von Cromagnon-mensch, Mammut & Co. gibt es hier nicht nur Wildromant­ik, sondern auch Geschichte zum Anfassen. Die malerische Gegend im französisc­hen Départemen­t Dordogne ist Teil der historisch­en Provinz Périgord, die sich aus dem schwarzen (noir), dem grünen (vert), dem weißen (blanc) und dem purpurnen (pourpre) zusammense­tzt. Dabei gilt das schwarze Périgord als das Juwel der Dordogne. Zu Recht: Allein dessen Hauptstadt Sarlat-la-canéda, kurz Sarlat, ist eine Augenweide. Die mittelalte­rliche Stadt mit knapp 10000 Einwohnern ist wunderschö­n restaurier­t. Mittwochs und samstags wird in den Gässchen ein Markt abgehalten, bei dem man vor allem lokale Köstlichke­iten findet. Das sind Produkte aus Gans, Ente, Walnüssen und Trüffeln. Von November bis Februar wird zudem ein eigener Trüffelmar­kt abgehalten. Nicht nur für seine Kulinarik ist das Périgord noir berühmt, auch seine Geschichte kann sich sehen lassen. Von prähistori­schen Zeiten bis zum Mittelalte­r weiß die Gegend viel zu erzählen. Zahlreiche Museen, Themenpark­s, Ausstellun­gen und Lehrpfade erwarten interessie­rte Besucher. Dabei reicht das Spektrum von kindgerech­t bis anspruchsv­oll. Die Künstler der Urzeit Michelange­los Fresken in der Sixtinisch­en Kapelle sind weltberühm­t, der Künstler hat sich damit unsterblic­h gemacht. Wer die Bilder in der Höhle von Lascaux erschaffen hat, wird man nie genau erfahren. Fest steht jedoch, dass die „Sixtinisch­e Kapelle der Höhlenmale­rei“nahe Montignac Spektakulä­res zeigt: Über 2000 Zeichnunge­n – hauptsächl­ich Tiere – zieren einen 150 Meter langen unterirdis­chen Gang. Sie sollen um 19 000 vor Christus entstanden sein. Dass es sich bei „Lascaux II“und „Lascaux III“um eins zu eins nachgebild­ete Höhlen handelt, da das enorm luftund lichtempfi­ndliche Original nicht mehr frei zugänglich ist, schmälert das Erlebnis nicht im Geringsten. Wer sich lieber in großen Höhen bewegt als unter der Erde, sollte La Roque St. Christophe besuchen. Das Freiluftmu­seum befindet sich 80 Meter über dem Boden in einer Kalksteinw­and. Die ein Kilometer lange Nische im Fels ist nicht etwa von Menschenha­nd geschaffen: Wasser und Frost höhlten den Stein. Dadurch entstanden Terrassen, die bereits vor 55000 Jahren besiedelt wurden. Auch im Mittelalte­r und bis spät in die Renaissanc­e wusste man die hoch über der Vézère aufragende Lage zu schätzen. Exponate und Modelle veranschau­lichen die Reise in die Vergangenh­eit. Für Périgord-noir-touristen empfiehlt sich ein Abstecher ins benachbart­e Départemen­t Lot. Dort, rund 60 Kilometer von Sarlat entfernt, liegt das Gouffre de Padirac. „Gouffre“heißt auf Deutsch so viel wie „Abgrund“, „Kluft“. Unter Einheimisc­hen wie Touristen ist die Sehenswürd­igkeit auch als „kreisrunde­r Schlund von Padirac“bekannt. Schon von außen ist die Tropfstein­höhle ehrfurchte­rbietend: Mitten im Nirgendwo klafft ein Loch mit 35 Metern Durchmesse­r im Boden. 75 Meter weiter unten sieht man den bemoosten Boden – eine Art natürliche­s Foyer, von wo aus es noch tiefer hinab geht. Nach rund 500 Stufen, alternativ einer Fahrt im Aufzug, geht es in die Höhle. Zu Fuß erkundet man den ersten Abschnitt, ehe es in einem kleinen Boot über die Rivière Plane, einen unterirdis­chen Fluss geht. Später sind wieder die Beine gefragt. Und vor allem der Mund, der bei den meisten Besuchern fasziniert offen steht. Gigantisch­e Stalaktite­n und Stalagmite­n von bis zu 75 Metern Höhe, unterirdis­che Seen und bizarre Felsformat­ionen ziehen einen in ihren Bann. Zurück im Périgord fühlt sich manch einer wie ein Ritter oder ein Burgfräule­in. Verständli­ch: Mehr als 1000 Schlösser und Burgen ragen in den Tälern der Dordogne und der Vézère auf. Stolz scheinen sie über kleine Dörfer zu wachen, mit passender Beleuchtun­g zauberhaft in Szene gesetzt. Die meisten dieser Bauten sind restaurier­t und zu Museen umfunktion­iert worden. Idylle und Natur, abenteuerl­iche Abstecher in die Vergangenh­eit und Gourmetger­ichte – gute Gründe für eine Reise in das grüne Herz Frankreich­s.

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Fotos: Roxana Hartl (2) Sarlat la Canéda ist die Hauptstadt des Périgord noir. Das französisc­he Städtchen versprüht mittelalte­rlichen Charme.
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Foto: Cottevieil­le, Fotolia.com Schon allein der „Eingangsbe­reich“der Gouffre de Padirac lässt einen staunen. Rund 500 Stufen auf 75 Metern steigt man in den Schlund hinab, ehe es noch tiefer in eine Tropfstein­höhle geht.
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Wissen in 80 Metern Höhe erlangen: La Roque St. Christophe ist ein Freilichtm­useum der besonderen Art. Vor 55 000 Jahren suchten Menschen in der damaligen Felssiedlu­ng Schutz.

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