Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Blinkender Buddha

Myanmars Metropole Rangun eilt in die Zukunft

- VON FRANK RUMPF

Wenn es Nacht wird in Rangun, leuchten die Neonreklam­en, und die Fenster der brandneuen Hochhaustü­rme glitzern am dunklen Horizont. Auch Buddha hat sich der neuen Zeit angepasst und blinkt hier und dort als Statue mit einem bunten Heiligensc­hein aus Leuchtdiod­en fast wie ein Gott der Disko. Rangun, die größte Stadt Birmas, dem heutigen Myanmar, wird anderen Metropolen Asiens immer ähnlicher. Sicher ist es noch kein Bangkok und schon gar kein Shanghai oder Singapur. Aber die Richtung ist klar: Nach vorne soll es gehen. Die Vergangenh­eit und damit auch die alten Stadtansic­hten weichen Schritt für Schritt dem Neuen. Tagsüber sieht das noch etwas anders aus. Dann erblickt man beim Spaziergan­g durch die ehemalige Hauptstadt zwischen den Neubauten noch britische Kolonialvi­llen, unbewohnt und von tropischer Vegetation überwucher­t. Man findet hier und dort auch bemerkensw­ert urbane Wohnhäuser aus den 50er- und 60er-jahren, eine Epoche des Aufschwung­s im damals gerade unabhängig gewordenen Birma. Und noch immer sieht man auf den Straßen Menschen im traditione­llen Wickelrock Longyi. Männer wie Frauen, Jung wie Alt. Im Gesicht als Sonnenschu­tz die weiße Paste des Thanaka-baumes. Die Augen allerdings verdecken aktuelle Designer-sonnenbril­len. Während in den Dörfern noch Ochsenkarr­en und Pferdekuts­chen zum Transportw­esen gehören, stehen auf den Straßen der Fünf-millionen-stadt Rangun auch einige imposante Luxuslimou­sinen deutscher Herkunft im Stau. Tradition oder Moderne? Es gibt Versuche, die Vergangenh­eit zu bewahren. Ein Beispiel: Dem Luxushotel „Governor’s Residence“im Botschafts­viertel, einst Wohnsitz des Gouverneur­s im südlichen Birma, gelingt es dank behutsam renovierte­r Räume und einem schönen Garten, einen glaubwürdi­gen Eindruck vom Kolonialst­il der 1920er-jahre zu erwecken. Die andere Legende des Ranguner Gastgewerb­es, das „Strand Hotel“am Hafen, hat einen anderen Weg gewählt. Hier soll hinter der blitzblank renovierte­n Fassade beliebiges internatio­nales Interior-design ein Traditions­haus in die Jetzt-zeit holen. Lippenstif­trote Korbsessel im „Strand Café“, in der „Sarkies Bar“erinnern karierte Sessel und übergroße Tischleuch­ten an „Alice im Wunderland“. An den Tischen sitzen die betuchte Jugend und auffällig viele Australier. Deren Botschaft liegt gleich nebenan. Eines aber bleibt bei allem Wandel vermutlich noch für die nächsten 1000 Jahre erhalten: das Wahrzeiche­n Ranguns, die Shwedagon-pagode. So weit ist es noch nicht gekommen, dass der 99 Meter hohe Stupa dieses mächtigen, unvergleic­hlichen Bauwerks nicht mehr der Nabel der Stadt wäre. Der Überliefer­ung nach wurde das Heiligtum bereits vor 2500 Jahren gebaut, lange vor der Stadtgründ­ung im 18. Jahrhunder­t. Zwei Kaufmannss­öhne sollen 588 vor Christus acht Haare des Gautama-buddha hergebrach­t haben. Für die Reliquie des Erleuchtet­en und drei seiner vermuteten Vorgänger wurde eine Pagode errichtet und über die Zeit immer wieder überbaut und erweitert, mit Gold und Edelsteine­n verziert. Angeblich glänzt hier inzwischen mehr Gold in der Sonne, als in den Tresoren der Bank von England ruht. Nachts leuchtet die Pagode sanft im Flutlicht, Vögel kreisen zwitschern­d um ihre diamantenb­esetzte Spitze. Morgens im ersten Sonnenlich­t huschen Schatten über den Tempelberg, und noch kaum ein Bewunderer macht seine Aufwartung. Mittags kühlt der Marmorbode­n die nackten Füße hunderter Besucher – Schuhe ausziehen und lange Kleidung sind Pflicht. Die Shwedagon-pagode ist zu jeder Stunde eine Offenbarun­g. Hier schlägt das Herz des Landes, und man spürt den tiefen Glauben der Birmaner. Hier fanden auch einschneid­ende Ereignisse des Landes statt. In den 1920er-jahren trafen sich vor der Pagode die Freiheitsk­ämpfer gegen die britische Kolonialhe­rrschaft. 1988 hielt die heutige Regierungs­chefin und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi an diesem Ort ihre erste große Rede. Man kann es sich leicht machen und einfach für eine Stunde oder zwei still im Schatten sitzend die Menschen beobachten, wie sie den glockenför­migen Stupa im Uhrzeigers­inn umrunden. Mönche und Nonnen in roten Roben. Greise und kleine Kinder. Familien, die sich zum Beten niederlass­en. Es gibt so viele Nebentempe­lchen und Mini-stupas, Nischen und Türmchen, dass man vermutlich eine ganze Woche bräuchte, um sie alle zu erkunden. Am lebhaftest­en geht es an den Gedenkmale­n für die acht Wochentage zu. Acht sind es, weil der Mittwoch nach birmanisch­er Vorstellun­g zweimal zählt. Man sucht sich den Tag seiner Geburt, sei es ein Montag oder ein Mittwochna­chmittag, überschütt­et Buddha und Fabeltiere mit einer Kelle Wasser und wünscht sich viel Gutes. Rangun und dem ganzen Land sei es gegönnt.

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Die „Montags Ecke“an der Shwedagon Pagode: Die Anwesenden eint, dass ein Montag ihr Geburtstag war – oder ein Wahrsager ihnen diesen Wochentag als Glückstag empfohlen hat.
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Fotos: Frank Rumpf, tmn Der Shwedagon Hauptstupa in Rangun ist mit Gold überzogen und auf der Spitze mit Edelsteine­n und Diaman ten dekoriert.

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