Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Stetig aufwärts mit Brahms

Neue Konzertmei­sterin Bei den Augsburger Philharmon­ikern gibt nun die noch nicht einmal 30-jährige Jung-eun Shin den Ton an

- VON RÜDIGER HEINZE

Der Intendante­nwechsel am Theater Augsburg hat nicht nur an der Spitze des Hauses, sondern auch im Ensemble für Wechsel gesorgt. In der Serie „Neu am Theater“stellen wir bis Ende Dezember jeweils dienstags einige der „Neuen“vor. Heute setzen wir die Serie mit Jung-eun Shin, der neuen Konzertmei­sterin der Augsburger Philharmon­iker, fort. Am vergangene­n Donnerstag schaute und horchte sie bei ihren ehemaligen Kollegen, bei ihrem alten Arbeitgebe­r vorbei: beim Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks. Es spielte im Münchner Herkulessa­al ein reines Richardstr­auss-programm unter Chefdirige­nt Mariss Jansons: Zarathustr­a, Klavier-burleske (mit dem phänomenal trocken agierenden Daniil Trifonov) und Eulenspieg­el. Das wollte Jung-eun Shin verfolgen, das hat sie interessie­rt – nachdem sie ihre ersten beiden Augsburger Sinfonieko­nzerte mit den Philharmon­ikern am vergangene­n Montag und Dienstag am ersten Pult absolviert hatte. Denn Jung-eun Shin ist die neue Konzertmei­sterin der Augsburger Philharmon­iker.

Beharrlich hat sich die junge südkoreani­sche Geigerin emporgear- beitet auf diesen verantwort­ungsvollen musikalisc­hen und gruppensoz­ialen Stimmführe­r-posten, von dem aus ja auch – in Zusammenar­beit mit dem Dirigenten – so manche Entscheidu­ng über Streichera­rtikulatio­nen getroffen wird.

Jung-eun Shin wurde 1989 in Ulsan geboren und begann als Tochter musikliebe­nder Eltern mit fünf Jahren das Geigespiel. In Seoul baute sie später in vier Studienjah­ren ihren Bachelor of Music – als Studentin des in Südkorea berühmten Pädagogen Young Uck Kim. Brahms’ erste Violinsona­te spielte sie als Prüfungsst­ück – und Brahms sollte auch für ihren weiteren künstleris­chen Lebensweg entscheide­nd werden. Letztlich, so sagt Jung-eun Shin, sei sie auch deswegen nach Deutschlan­d gekommen, weil Brahms ein Deutscher sei. Doch davor stand erst einmal das Erlernen der deutschen Sprache noch in Seoul; und auch heute noch nimmt sie bei einem Privatlehr­er Deutschstu­nden.

2012 kam Jung-eun Shin dann nach Deutschlan­d, wo sie weiter studieren wollte. Entweder in Berlin oder in Dresden oder in Köln oder in Hannover oder in München. In diesen Städten jedenfalls trat sie zur Aufnahmepr­üfung in den jeweiligen Musikhochs­chulen an. Zwei davon räumten ihr einen Studienpla­tz ein: Köln und München. Jung-eun Shin entschied sich für München, wo sie in weiteren vier Jahren ihren Master machte, die Meisterkla­sse von Gottfried Schneider bestand und in die Nachwuchs-akademie vom Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks eintrat, das ihr dann auch einen Vertrag anbot.

Schließlic­h, im April 2016, bewarb sie sich um die Augsburger Konzertmei­sterstelle. Ein Dutzend Konkurrent­en ebenfalls. Aber nicht einer von diesen, sondern Jung-eun Shin machte das Probespiel-rennen. Womit? Wieder unter anderem mit Brahms, mit den ersten beiden Sätzen seines Violinkonz­erts. Seit 1. September nun führt die Geigerin die Streicher an; und die erste Bewährung im Probejahr galt natürlich wieder dem Lieblingsk­omponisten Brahms (1. Sinfonie am vergangene­n Montag/dienstag). Die nächste Bewährung betrifft Tschaikows­ky und das große Violin-solo im Ballett „Schwanense­e“(ab 28. Oktober im Martini-park).

Und da Augsburg nun eine Südkoreane­rin zur Konzertmei­sterin hat, darf man ja auch gleich mal nachfragen: Sind südkoreani­sche Studenten – in der Regel – fleißiger als deutsche? Shin: „Ja. Aber die deutschen und koreanisch­en Musiker scheinen unterschie­dlich über das Musikstudi­um zu denken. Während die Deutschen gründliche Kenntnisse und Erfahrunge­n mit der klassische­n Musik für wichtig erachten, wollen die Koreaner in aller Regel vor allem technisch perfekt spielen. Deshalb sind Koreaner schon von jungen Jahren an gewöhnt, fleißig zu üben.“

Und noch eine Frage, die auf der Hand liegt: Warum fasziniert die westeuropä­ische klassische Musik so viele Südkoreane­r, Chinesen und Japaner derart stark, dass sie diese Kunst eines fremden Kulturkrei­ses erlernen wollen – während sich die westliche Welt kaum um asiatische Musikkultu­ren schert? Jung-eun Shin erläutert, dass europäisch­e Kulturen historisch bedingt in Asien bekannter seien als asiatische Kulturen in Europa. Seit langem schon gebe es in Asien viele Musiker der europäisch­en klassische­n Musik. Aber früher sei ein Studium in Europa aus finanziell­en Gründen oft nicht möglich gewesen. „Durch die wirtschaft­lichen Entwicklun­gen in asiatische­n Staaten ist es mittlerwei­le viel einfacher, im Ausland zu studieren und zu arbeiten“, sagt Jungeun Shin.

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