Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie die Mathildenstraße zu ihrem Namen kam
Serie I Revolutionär, falsch und rätselhaft: In 2500 Folgen stellen wir seit 2009 täglich einen Straßennamen vor. Zum Jubiläum gibt es eine Auswahl ungewöhnlicher Beispiele
Der Alte Die ältesten Augsburger Straßennamen stammen aus dem späten Mittelalter. So werden im Jahr 1369 die „Becker-gazzen“in den Baumeisterbüchern der Freien Reichsstadt erwähnt. Gemeint sind die heutige „Bäckergasse“und „Spitalgasse“. In diesen beiden Straßen des Lechviertels waren einst bis zu 25 Bäckermeister mit ihren Betrieben ansässig.
Der Revolutionäre Bereits im Jahr 1837 beschlossen die Ratsherren, einer weiblichen Persönlichkeit eine Straße zu widmen. Der „Alte Heumarkt“wurde in „Philippine-welser-straße“umbenannt. Die Augsburger Patriziertochter Philippine Welser (1527 bis 1580) musste wegen ihrer bürgerlichen Herkunft den österreichischen Erzherzog Ferdinand II. heimlich heiraten.
Der Falsche Eine Straße in Siebenbrunn sollte 1965 an den ursprünglichen Ortsnamen Meringerau erinnern. Aber wegen einer Verwechslungsgefahr mit der „Meringer Straße“beschloss der Stadtrat den „Hugenottenweg“. Allerdings ist dieser Name historisch falsch, da hier in Siebenbrunn nie Hugenotten siedelten, trotz der einst fünf Gutshöfe im Hugenotten-baustil.
Der Umgewidmete Die Augsbur- ger Prachtstraße musste im Jahr 1809 nach Ende der Reichsstadtära den neuen bayerischen König Maximilian I. würdigen. Aber 1957 erfolgte eine Umbenennung, wobei der Straßenname unverändert blieb. Die „Maximilianstraße“ist nun dem deutschen Kaiser Maximilian I. (1459 bis 1519) gewidmet, welcher der Stadt sehr zugetan war.
Der Raffinierte Die „Taubenstraße“im Stadtjägerviertel wurde im Jahr 1879 von den Ratsherren in „Mathildenstraße“umbenannt. Der Vorschlag entstammte einer bierlaunigen Wette in dem Lokal „Zum Stadtjäger“. Einige Stammgäste hatten die zweijährige, bayerische Prinzessin Mathilde (1877 bis 1906) vorgeschoben, um ihre beliebte Wirtin Mathilde zu verewigen.
Der Schwierige Die Gasse „Auf dem Rain“, wo das Geburtshaus von Bert Brecht steht, sollte im Jahr 1963 nach dem berühmten Augsburger Schriftsteller umbenannt werden. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt, aber war der Auftakt zu einer mehrjährigen Debatte. Sie endete 1967 mit der Umbenennung der „Frühlingstraße“in „Bert-brecht-straße“.
Der Spontane Südtirol ist ein Thema im östlichen Lechhausen. So sollte 1962 eine von der „Stätzlinger Straße“abzweigende Straße nach dem Ort Sterzing heißen. Aber der Stadtrat befürchtete eine Verwechslung der beiden Namen. Wolfgang Pepper als Bürgermeister ließ kurzerhand seinen Südtiroler Lieblingsurlaubsort Kaltern mit der „Kalterer Straße“verewigen.
Der Angepasste Die baumlose „Lechdammstraße“wurde 1963 in „Berliner Allee“umbenannt. Der Anlass war die legendäre Rede des Us-präsidenten John F. Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg in Berlin. Gleichzeitig beschloss man, dass der Straßenzug am westlichen Lechufer eine Bepflanzung erhält, welche dem neuen Straßennamen angemessen ist.
Eine Straßenbahnhaltestelle heißt nach dem Straßennamen „Beim Dürren Ast“. Dies sorgt bei Fahrgästen regelmäßig für Erheiterung. Hier beim Siebentischwald befand sich die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gaststätte „Dürrer Ast“. Zur Namensherkunft gibt es mehrere Theorien, so nach einer dürren Äsung im nahen Wald oder wegen eines Galgens.
Der Fehlerhafte Fast immer falsch geschrieben wird die „Blériotstraße“, nämlich ohne das Akzentzeichen. Das gleiche Schicksal trifft die „Lehárstraße“und „Linnéstraße“, beide in Haunstetten. Die „Blériotstraße“wurde, wie die meisten im Univiertel, nach einem Flugpionier benannt. Louis Blériot überquerte 1909 als erster Mensch in einem Flugzeug den Ärmelkanal.
Der Rätselhafte Die „Schneelingstraße“wurde im Jahr 1875 bei der Einführung der amtlichen Straßenbenennung in der damaligen Marktgemeinde Lechhausen benannt. Zuvor sprach der Volksmund von der „Schneelinggasse“. Der Ursprung dieser Bezeichnung ist rätselhaft. Es gibt rund 60 Straßennamen mit unbekannter oder unklarer Herkunft.
Der Aktuelle Erst kürzlich beschloss der Stadtrat die „Karldrais-straße“. Diese südwestliche Straßenspange im Innovationspark erinnert an Karl Freiherr von Drais (1785 bis 1851). Der Forstbeamte aus Karlsruhe hatte vor 200 Jahren das Fahrrad erfunden. „Forschung in gesellschaftlicher Verantwortung“heißt das Straßennamen-thema im Innovationspark. Autor Wilfried Matzke ist Leiter des Geodatenamtes der Stadt.