Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Umweltzone, von der keiner etwas weiß

Verkehr Um die Luft zu verbessern, sind seit acht Jahren ältere Autos aus Teilen der Stadt ausgesperr­t. In einem Viertel sind die Stinker zwar verboten. Weil die nötigen Schilder aber nie aufgestell­t wurden, gibt es dort auch keine Kontrollen

- VON JÖRG HEINZLE

Wer mit dem Auto in die Augsburger Innenstadt fahren will, muss die richtige Plakette an der Frontschei­be haben. Seit Juni vorigen Jahres dürfen nur noch Fahrzeuge mit grünem Aufkleber in die Umweltzone – das soll die Schadstoff­belastung in der Luft reduzieren. In ein Stadtviert­el jedoch dürfen auch die „Stinker“weiterhin rein, obwohl es innerhalb der Umweltzone liegt. Die Stadtverwa­ltung hat dort darauf verzichtet, die nötigen Schilder aufzustell­en. Deshalb könnte nun eine Klage drohen.

Die Deutsche Umwelthilf­e, die zuletzt in mehreren Städten Urteile für ein Diesel-fahrverbot erstritten hat, will die Angelegenh­eit nun zumindest prüfen. Der Rechtsanwa­lt des Umweltverb­ands, Remo Klinger, sagt, die Stadt verhalte sich aus seiner Sicht „rechtswidr­ig“. Eine Umweltzone auszuweise­n und sie nicht komplett zu beschilder­n sei „offenkundi­ger Unsinn“. Ihm sei deutschlan­dweit bisher kein vergleichb­arer Fall bekannt.

Der Bereich, um den es geht, heißt offiziell „Links der Wertach – Süd“. Der Stadtbezir­k liegt in Oberhausen, er wird umschlosse­n von der Wertach im Osten, der Donauwörth­er Straße im Westen und der Dieselstra­ße im Norden. Hier stehen überwiegen­d Wohnhäuser auf einer Fläche, die etwa 18 Fußballfel­dern entspricht. Als die Umweltzone im Sommer 2009 eingeführt wurde, gehörte von Anfang an auch dieses Viertel dazu. Doch während der Rest der Zone durch Schilder markiert ist, gibt es hier keinerlei Hinweis auf die Beschränku­ngen.

Selbst viele Bewohner wissen bis heute nicht, dass sie innerhalb der Umweltzone leben. „Hier soll Umweltzone sein? Nie gehört“, meint ein älterer Mann, der in der Flurstraße lebt. Ein Mann Mitte 40 steigt in einen älteren BMW mit gelber Feinstaub-plakette. Eigentlich dürfte sein Wagen hier gar nicht stehen. Er reagiert erstaunt: „Echt? Ich parke oft hier.“Eine Stichprobe zeigt: Die meisten Autos, die in den Straßen stehen, haben grüne Plaketten. Es gibt aber auch einige ältere Wagen mit gelben Plaketten. Und bei manchen Fahrzeugen fehlen die Aufkleber ganz. Etwa bei zwei älteren Transporte­rn, die nicht so aussehen, als ob darin neuere Filtertech­nik eingebaut ist.

Dass es hier seit acht Jahren keine Umweltzone­n-schilder gibt, ist keine Panne. Auf Anfrage teilt die Stadt mit, man habe bewusst darauf ver- zichtet. Wegen der schmalen Straßen sei es schwierig, die Schilder aufzustell­en. Zudem müssten wegen der vielen Einmündung­en auch viele Schilder aufgestell­t werden. Das wäre teuer. Die Kosten für dieses Quartier hätten alleine „etwa 50 Prozent der Gesamtkost­en“ausgemacht, lautet die Auskunft der Stadt. Im Übrigen seien die Straßen dort ohnehin so klein, dass „kein Schleichve­rkehr“zu erwarten sei.

Weil es keine Schilder gibt, existiert die Umweltzone dort nur auf

Feinstaubb­elastung ist gesunken

dem Papier. Eigentlich kostet ein Verstoß 80 Euro. Voriges Jahr wurden in Augsburg rund 6400 Plaketten-sünder erwischt. Wegen der fehlenden Schilder wurden die städtische­n Verkehrsüb­erwacher aber angewiesen, in diesem Viertel die Plaketten nicht zu kontrollie­ren.

Der Nutzen der Umweltzone ist umstritten. Kritik kam in der Vergangenh­eit immer wieder aus dem Handwerk und von der Industrie, weil Firmenfahr­zeuge oft mit Diesel fahren und entspreche­nd stark be- troffen waren. Allerdings sind Ausnahmen möglich – unter anderem für Anwohner und Gewerbebet­riebe, die innerhalb der Zone ihren Sitz haben. Voriges Jahr gab die Stadt 535 Ausnahmege­nehmigunge­n aus, 29 Anträge lehnte sie ab.

Seit der Einführung der Zone ist die Feinstaubb­elastung in der Innenstadt deutlich gesunken. Experten machen das zum einen an der Umweltzone direkt fest, zum anderen auch daran, dass neuere Autos bessere Schadstoff­werte haben. Die Zone beschleuni­ge die Verjüngung der Fahrzeugfl­otte in der Region, so die Stadt. Wer in die Stadt will, ist gezwungen, sich ein neueres Fahrzeug zuzulegen oder nachzurüst­en. Die Autos in und um Augsburg sind den Angaben zufolge moderner als im Bundesdurc­hschnitt.

Weniger Wirkung hat die Umweltzone beim Stickstoff­dioxid, über das seit dem Diesel-skandal verstärkt diskutiert wird. Fachleute sind sich einig, dass es hier nur geringere Effekte gibt. Wegen des Stickoxid-gehalts in der Luft hat die Deutsche Umwelthilf­e vor Kurzem jenen Städten mit Klagen gedroht, die die Grenzwerte nicht überall einhalten. Auch Augsburg steht auf der Liste des Verbands. Der Verband will vielerorts Dieselfahr­verbote durchsetze­n. Ob eine Klage gegen Augsburg eingereich­t wird, sei gegenwärti­g noch offen, heißt es bei der Umwelthilf­e.

Der Augsburger Rechtsanwa­lt Bernhard Hannemann geht davon aus, dass ein betroffene­r Anwohner die Stadt gerichtlic­h dazu zwingen könnte, die fehlenden Schilder im Viertel an der Wertach aufzustell­en. Auch Klagen von Verbänden wie der Deutschen Umwelthilf­e würden von den Gerichten in ähnlichen Fällen oft angenommen.

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Foto: Jörg Heinzle Eigentlich dürfte dieses Auto hier gar nicht stehen. Das Viertel „Links der Wertach – Süd“zählt zur Umweltzone, in der Fahrzeuge mit gelber Plakette nicht unterwegs sein dür fen. Allerdings fehlen dort die entspreche­nden Schilder.

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