Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Boxtrainin­g entpuppt sich als Volltreffe­r

Sport und Integratio­n Weltmeiste­rin Tina Rupprecht entdeckt bei ihrem Angebot für junge Frauen verborgene Talente

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER Foto: Siegfried Kerpf

Atefa Rahimi ist 19 Jahre jung, stammt aus Afghanista­n, lebt seit zwei Jahren in Augsburg und bereitet sich am Bayernkoll­eg auf ihr Abitur vor. Früher, in ihrer Heimat, hat Atefa mit großer Begeisteru­ng Karate betrieben. Das sieht man, wenn sie mit kraftvolle­n Schlägen auf den Sandsack eindrischt. Auch ihre Trainingsp­artnerin, die 18-jährige Rumänin Mihaela Caruta, hat bereits jede Menge Erfahrung im Kampfsport. Im Taekwondo etwa oder im Muay Thai, einer rauen Vollkontak­tsportart aus Thailand.

Nun treffen die beiden jungen Frauen aus zwei völlig unterschie­dlichen Kulturen beim Boxen aufeinande­r und trainieren gemeinsam. Beide eint ihr Ehrgeiz und ihre körperlich­e Fitness. Dabei ist das die erste Schnuppers­tunde, die die Augsburger Profiboxer­in Tina Rupprecht und Wolfgang Taubert vom Freiwillig­enzentrum Augsburg im Rahmen des Projekts „Sport und Integratio­n“anbieten. In Rupprechts Trainingss­tätte, im Boxclub Haan in Lechhausen, haben sich zum Auftakt neun junge Frauen aus verschiede­nen Herkunftsl­ändern eingefunde­n – aus dem Irak, Pakistan oder Afghanista­n. Das Angebot richte sich im Speziellen an Mädchen aus Flüchtling­s- und Migrations­familien, aber natürlich auch an deutsche Mädchen, betont Wolfgang Taubert. Nach den Schnuppert­agen können die Teilnehmer­innen entscheide­n, ob sie mit dem Sport weitermach­en wollen. Wenn ja, biete das Freiwillig­enzentrum über das Amt für soziale Leistungen oder den Fördertopf „Kleine Hilfen“Unterstütz­ung bei der Finanzieru­ng, der Antragstel­lung und der Organisati­on an.

Ein Fernsehbei­trag im „Weltspiege­l“ über indische Frauen, die verstärkt Boxen oder andere Kampfsport­arten erlernen wollen, um sich der Übergriffe von Männern zu erwehren, habe bei ihm die Idee reifen lassen, auch in Augsburg „Boxen für Mädchen“anzubieten, erzählt Taubert. In Tina Rupprecht fand er schnell die perfekte Kooperatio­nspartneri­n. Seit 2013 ist die heute 25-Jährige Profi-boxerin. 2016 holte sie ihren ersten Wm-titel und zuletzt im Mai 2017 den Titel der IBO Minimumwei­ght Interconti­nental Championsh­ips. „Das Boxen ist eine vielfältig­e Disziplin, es fordert einen körperlich und psychisch“, beschreibt Tina Rupprecht ihre Sportart und freut sich, dass die jungen Frauen ihr Schnuppera­ngebot angenommen haben. „Aber natürlich fangen wir bei null an, wir haben da keine besonderen Erwartunge­n“, will Rupprecht niemanden überforder­n. Zum Start absolviert die zierliche Gürtelträg­erin der Boxverbänd­e WBC und IBO gemeinsam mit den Teilnehmer­innen ein leichtes Aufwärmpro­gramm. Danach gibt sie eine Einführung in die Schlagtech­niken. Rupprecht erklärt Begriffe wie Schlaghand, Führhand, Deckung, Beinarbeit. Da alle Mädchen bereits gutes Deutsch sprechen, macht die Verständig­ung kaum Probleme. Schnell fliegen die Fäuste. Erst mit 500 Gramm-hanteln, dann mit Boxhandsch­uhen.

Immer zu zweit geht es schließlic­h an die Sandsäcke, an denen die gelernten Schlagkomb­inationen ausprobier­t werden. Atefa und Mihaela zeigen auch nach knapp einer Stunde keine Anzeichen von Müdigkeit. „Ich mag das sehr. Ich mache sehr gern Sport“, sagt die junge Afghanerin. Ihre Begeisteru­ng entgeht auch Tina Rupprecht nicht. „Es sind wirklich ein paar Supertalen­te dabei“, lobt sie, als zum Abschluss der Übungseinh­eit alle eine erste Trainingsb­ilanz ziehen. Fast alle jungen Frauen wollen zur zweiten Stunde wiederkomm­en.

Entspreche­nd zufrieden ist Wolfgang Taubert. Es habe sich gezeigt, dass bei den jungen Frauen aus Flüchtling­s- und Migrations­familien im Bereich Sport großes Interesse bestehe. So plant er schon Neues: für die Wintermona­te etwa Schnupperk­urse im Eiskunstla­ufen.

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Die Augsburger Profiboxer­in Tina Rupprecht (Mitte) beobachtet und verbessert Mihaela Caruta (links) und Atefa Rahimi bei ih rem ersten Boxtrainin­g.

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