Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Puppenhaus des Schreckens

Klapps Festival Das dänische Sofie Krog Teater lehrt heiteres Fürchten

- VON ALOIS KNOLLER

Wenn die Wände erzählen würden. Dann ist das Haus des dänischen Sofie Krog Teater ein verwunsche­ner Ort. Auf dem klapps-festival führten die Krogs im Abraxas ein Figurenthe­ater zum Gruseln vor – und zugleich umwerfend komisch.

Die zweistöcki­ge Villa, die dominant auf einem schwarzen Unterbau auf der Bühne thront, hat schon bessere Tage gesehen. Der Putz bröckelt ab, Fenster und Türen klappern im Wind. Und erst die Bewohner und ihr Geschäft darin! „Crematoriu­m“steht mit bröseligen Buchstaben auf der Fassade. Und tatsächlic­h schleppt ein Mann unter großer Mühe einen Sarg aus dem Laden. Die Leiche muss erst zur Spezialbeh­andlung durch die Inhaberin: Genüsslich zieht die undurchsch­aubare, keifende Lady ihr die Goldzähne mit einer riesigen Zange.

Im oberen Stockwerk wohnt noch eine geheimnisv­olle Person. Nur deren Hand wird sichtbar und durchs Sprechrohr krächzt ihre brüchige Stimme: Es ist die Erbtante, auf die sich die Begehrlich­keit der Bestatter richtet. Aber schlappt da nicht der Notar um die Ecke, gerufen, um das Testament der Tante zu ändern. All ihr Hab und Gut sollen die Neffen erben und nichts die fiese Schwester. Wenn das kein Grund für einen kaltblütig­en Mord ist!

Es wird nicht der Einzige bleiben in diesem Geisterhau­s mit unglaublic­h vielen Türen, Fenstern, einem Kellerscha­cht. Ein putziges Puppenhaus hat das Sofie Krog Teater gebaut. Wenn es sich dreht, zeigen sich die Räume auch offen von ihrer Rückseite. Doch darin findet kein harmloses Kinderspie­l statt, sondern ein mysteriöse­r Krimi. Zumal auch noch zwei Jungs ums Haus heimlich schleichen und einsteigen. Abgebrühte Einbrecher und Räuber sind sie wohl nicht, sonst wären sie nicht so schreckhaf­t, wenn sie von Deckung zu Deckung vorrücken. Das Rätsel um diese Kerle löst sich erst zuallerlet­zt auf, wenn aus dem Off eine tiefe, dumpfe Stimme verkündet, dass dieses merkwürdig­e Haus vielleicht noch weitere Schauerges­chichten erlebt hat.

Sofie Krog und ihr Partner David Farago ziehen alle Register. Sie sind Musterschü­ler vom Master of Suspense Alfred Hitchcock. Die Figuren lassen mehr erahnen, als sie in ihren Dialogen verraten. Dank raffiniert­er Lichteffek­te und Bewegungen wie von Geisterhan­d entfaltet das Haus ein fürchterli­ches Eigenleben. An den richtigen Stellen setzt dazu angsteinfl­ößender Sound ein. Schließlic­h stößt sogar das Ofenrohr des Krematoriu­ms dicken Qualm aus, während innen die Feuerhölle tobt. Doch darf man dieses Spektakel ernst nehmen? Die Puppenspie­ler, die kopfüber ihre Handpuppen führen, brechen mit umwerfende­m Slapstick immer wieder die düstere Dramatik. Erschrecke­n und Erheiterun­g liegen hier ganz eng beieinande­r. Das Sofie Krog Teater bietet eine perfekt gelungene Horrorkomö­die, die man so drastisch nur mit Puppen spielen kann.

klapps geht weiter am Donnerstag, 19. Oktober, mit der Uggl Bühne und dem Papierthea­ter der Handmaids mit „Salome – frei nach Oscar Wilde“.

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Foto: Sofie Krog Teater Zwei schreckhaf­te Kerle schleichen um das Geisterhau­s, in dem sich mysteriöse Ver brechen abspielen.

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