Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie man Stimmungen einfängt
Ausstellung Farbmalerei von Julia Winter in der Schwäbischen Galerie
„No magic for me today“ist der kokett-kuriose Titel ihrer Ausstellung in der Schwäbischen Galerie im Volkskundemuseum Oberschönenfeld – auf Hochdeutsch könnte man ihn großzügig übersetzen mit „Heute inspiriert mich nichts“. „No magic for me today“heißt auch in wohl schelmischer Absicht ein leeres, weißes, kleines umrahmtes Etwas am Beginn des Rundgangs. Doch Julia Winter muss sich um ihre Fantasie keine Sorgen machen. Wie sie mit abstrakten Bausteinen in Form und Farbe Bilder und Stimmungen einfängt, zeigt ihre Farbmalerei nachdrücklich.
Die in Dillingen geborene Künstlerin (*1984), die nach dem Studium 2007 bis 2013 an der Münchner Akademie (u. a. Meisterschülerin von Jerry Zeniuk) wieder in ihrer Heimatstadt lebt, war vor vier Jahren anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Schwäbischen Galerie bereits mit einer kleinen Auswahl ihrer Arbeiten präsent. Jetzt nimmt sie mit einer breit dimensionierten Ausstellung mit Arbeiten der letzten sechs Jahre den ersten Stock der Galerie lebhaft in Besitz. Im Rhythmus von wuchtigen Tableaus (etwa 200 mal 160 cm) und zahlreichen kleineren Arbeiten auf Papier kann man sich spannungsvoll mit ihren durchweg abstrakten Bildfindungen auseinandersetzen.
Die spontan hingesetzt wirkenden Motive sind aber Ergebnis eines ebenso durchdachten wie von Assoziationen beförderten Konstruktionswillens. Ausgangspunkt scheinen entweder mit Vehemenz ausgeschleuderte Farbfelder oder auch ein vorgegebener abgezirkelter Raum zu sein, der von Gittern und Schlangenlinien, kleinteiligen Webmustern oder großen einfachen Formen bestimmt wird und mehrere Tiefenschichten ausbreitet – da beginnen oft die Dinge zu schweben.
Wie Julia Winter dann mit teils schroff und grell kontrastierenden oder auch ineinanderfließenden Farben und Formen zu einem Bildergebnis kommt, ist verblüffend. Mit dem Einsatz von Acryl und Spray auf Leinwand oder Papier arbeitet sie sich solange vor, bis die Elemente zueinander eine Spannung aufbauen, Stimmungen erzeugen und auch visionär Personen, Landschaften, Szenerien aufscheinen lassen. Hier müssen und können die Assoziationen des Betrachters frei mitmachen und bestimmen. Unschwer ist etwa der poetische Farbrausch mit weißer Mittelpunkt-kugel der „moonlight issues“zu genießen oder etwa die perfekt verdichtete abstrakte Heraldik von „the afterglow“. Auch der teilweise Einsatz von Wörtern, Sätzen, Buchstaben erzeugt neue Ebenen, als typografisches oder sinnstiftendes Element. Wenn die Künstlerin rein figural arbeitet, wie das heroisch-pathetisch coole (Selbst?)bildnis „o.t.“, so erinnert das an Effekte von Hinterglasmalerei.
Laufzeit bis 5. November. Schwäbi sche Galerie Oberschönenfeld. Geöff net Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr. Sonntagsführung am 22. Oktober, 15 Uhr. Künstlergespräch mit Julia Winter am 5. November 15 Uhr (Moderation Mechthild Müller Henning).