Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Singold hat Rückenprobleme
Die Bronzekopie am über 400 Jahre alten Augustusbrunnen ist noch ganz jung. Warum sie jetzt schon Schäden hat und doch kein Reklamationsfall wird
Auch Götter sind nicht vor Rückenproblemen sicher. In diesem Fall ist es die Flussgöttin Singold. Sie sitzt seit über 400 Jahren auf dem Becken des Augustusbrunnens am Rathausplatz. Mittlerweile ist die sitzende Singold eine Kopie der wertvollen originalen Brunnenbronze. Der Nachguss ist jedoch lange nicht so haltbar wie das Original. Er ist rund zwei Jahre alt, hat aber schon einen Riss auf der Rückseite. Das haben Fachleute festgestellt.
Am Dienstag wurde die beschädigte Figur mit einem Kran vom Brunnen gehoben, zusammen mit anderen Bronze-teilen des Prachtbrunnens. Für die Aktion war eigens die Augsburger Berufsfeuerwehr angerückt. Denn es ist Millimeterarbeit, nichts darf beschädigt werden, und sie hat mit dem Verladen von Brunnenbronzen bereits Erfahrung. „Das ist eine super Übung für den Ernstfall für uns“, sagt Pressesprecher Friedhelm Bechtel. Auch bei anderen Einsätzen der Feuerwehr muss der Kranwagen für schwierige Hebearbeiten ran, etwa wenn eine Person eingeklemmt und verletzt ist.
Flussgöttin Singold hat Verletzungen besonderer Art. Die Figur hat einen Riss in dem Bereich, wo bei Menschen die Wirbelsäule ist. Der Schaden sei nicht auf Vandalismus zurückzuführen, sondern auf einen kleinen Gussfehler zurückzuführen, erklärt Restauratorin Kerstin Brendel vom Landesamt für Denkmalpflege. Die Figur wäre eigentlich ein Reklamationsfall bei der zuständigen Gießerei, heißt es im städtischen Hochbauamt. Doch das Unternehmen sei inzwischen insolvent, weshalb die Stadt die Gewährleistung nicht mehr geltend machen könne.
Nun kommt der Nachguss der Flussgöttin Singold erst einmal zum Check in die Werkstatt. Brendel zufolge geht es vor allem auch darum, die Patina dieser Bronzefigur in den kommenden Monaten zu überarbeiten. Denn die Farbe ist anders als bei den anderen Flussgöttern am Brunnen. Diese Kopien kommen von einer anderen Gießerei. „Das Ziel ist ein einheitliches Erscheinungsbild der Figurengruppe“, sagt die Restauratorin. Schließlich ist der Augustusbrunnen aus dem 16. Jahrhundert ein Kunstwerk von internationalem Rang und zusammen mit den anderen Prachtbrunnen eine der wichtigen Augsburger Sehenswürdigkeiten für Touristen.
Brendel zufolge ist es nicht ganz einfach, eine passende Patina nachzuahmen, denn die Farbe kann sich bei Wind und Wetter im Freien ver- ändern. Das sei bei dieser Figur passiert, so die Restauratorin. Mit den anderen Bronzeabgüssen am Brunnen gebe es jedoch keine derartigen Probleme.
Warum die Kopien überhaupt nötig sind? Dies hat vor allem mit Vandalismus zu tun. Auch die Augsburger Prachtbrunnen, deren originale Kunstwerke viele Millionen Euro wert sind, sind davor nicht sicher. Spätestens nach der Wm-feier 2014 wurde der Stadt bewusst, wie riskant es ist, die Bronzen nicht zu schützen: Fußballfans waren in Feierlaune auf den Herkules- und den Augustusbrunnen gestiegen.
Eine Figur des Herkules war damals beschädigt worden: Ein Arm riss ab, kurz darauf wurde er bei den Städtischen Kunstsammlungen abgegeben. Bei anschließenden Untersuchungen wurden damals auch an anderen Brunnen Schäden entdeckt. Am Augustusbrunnen war die Schwanzflosse eines Fisches abgerissen und eine Putte verschoben. Am Merkurbrunnen war die Wasserauslassdüse einer weiblichen Maske verbogen.
„Es geht darum, dieses wertvolle Kulturgut vor Vandalismus zu schützen“, sagt Brendel. Auch jetzt gebe es immer wieder Leute, die auf den Brunnen herumklettern. Auch Friedhelm Bechtel von der Feuerwehr sagt, dass die Augsburger Brunnen nach wie vor beschädigt werden. Von der Stadt gab es gestern dazu keine Auskunft.
Nachgüsse anzufertigen ist allerdings nicht ganz billig. Lange war dies in Augsburg am Geld gescheitert. 585 000 Euro kostet es, allein die Originale am Augustusbrunnen zu ersetzen. Die Kosten für die Singold übernahm die Messerschmittstiftung. Die Flussgötter Lech, Wertach und Brunnenbach, für die 130000 Euro veranschlagt waren, wurden aus Mitteln des Prinzfonds bezahlt.
In diesem Winter sollen nun auch noch Kopien von weiteren Originalen angefertigt werden. Darunter sind die Augsburger Stadtwappen auf dem Brunnen, aber auch die kleinen Steinbock-köpfe und die großen geflügelten Hermen an der Brunnensäule. Auch diese wurden jetzt in die Werkstätten des Landesamtes für Denkmalpflege nach München transportiert. Dort werden die Originale von einer Spezialfirma abgeformt und danach in der Gießerei Strassacker in Badenwürttemberg nachgegossen, wie Brendel erläutert.
Die aktuelle Aktion soll die letzte dieser Art am Augustusbrunnen sein. Denn damit werden dann alle Originale durch Kopien ersetzt sein. Start war bereits vor über zwei Jahrzehnten. Im Jahr 1993 begann die Stadt mit der Renovierung der großen Augustus-figur und ersetzte das Original durch eine Kopie. Das nötige Geld floss auch damals von der Messerschmitt-stiftung.
Und was passiert mit den wertvollen Originalen? Augustus und seine Flussgötter sollen ab 2018 wieder vereint werden und dann im überdachten Innenhof des Maximilianmuseums zu sehen sein.
Ansprechend präsentiert, sollen sie ein Hingucker bei der Ausstellung „Wasser Kunst Augsburg“werden. Sie findet im Sommer kommenden Jahres im Rahmen der Augsburger Unesco-welterbe-bewerbung statt.