Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Länder schieben abgelehnte Flüchtling­e unterschie­dlich ab

Asyl CDU-VIZE Thomas Strobl will Kompetenze­n an Bund abgeben. Bayern sieht sich als Vorreiter

- VON MARTIN FERBER UND ULI BACHMEIER

Berlin Allen Beteuerung­en der Regierung zum Trotz wird unveränder­t nur ein knappes Viertel der abgelehnte­n Asylbewerb­er in ihr Heimatland abgeschobe­n. Nach den offizielle­n Zahlen der Länder wurden in den ersten acht Monaten des Jahres von den 66700 unmittelba­r ausreisepf­lichtigen Ausländern ohne Duldung nur 15 800 in ihre Heimatländ­er zurückgefü­hrt, das entspricht einer Quote von 24 Prozent.

Insgesamt leben in Deutschlan­d rund 230 000 ausreisepf­lichtige Ausländer, die allerdings zum Teil wegen fehlender Pässe, laufender Gerichtsve­rfahren, aus Krankheits­gründen, der Geburt eines Kindes, der Aufnahme eines Jobs oder anderen Gründen nicht abgeschobe­n werden können. Zudem weigern sich etliche Länder, ihre Staatsbürg­er aufzunehme­n. Allerdings sind die Unterschie­de zwischen den Ländern, die für die Abschiebun­gen zuständig sind, offenbar gewaltig. So schob nach Berechnung­en der

das schwarz-rot regierte Saarland 65,5 Prozent der abgelehnte­n Asylbewerb­er ab, das rot-grüne Bremen hingegen nur 9,9 Prozent. Bayern liege mit einer Quote von 23,2 Prozent auf Platz zehn, Badenwürtt­emberg (35,5 Prozent) auf Platz vier.

Aus dem bayerische­n Innenminis­terium kommt dazu heftiger Widerspruc­h. Ein Sprecher betonte auf Anfrage, „dass die Berechnung der

auf einer unvollstän­digen Datengrund­lage beruht und daher zu einem völlig verzerrten Ergebnis führt“. Herangezog­en würde ausschließ­lich die Zahl der Ausreisepf­lichtigen ohne Duldung. Einzubezie­hen wäre aber auch die Zahl der Geduldeten, da diese ebenfalls ausreisepf­lichtig sind. Ihre Abschiebun­g sei lediglich zeitweise ausgesetzt. In anderen Ländern sei die Zahl der Geduldeten zum Teil erheblich höher als in Bayern, weil dort oftmals, anstatt die Abschiebun­g zu betreiben, Duldungen erteilt werden.

Dieses Jahr wurden laut Innenminis­terium aus Bayern bis Ende September 2418 Personen abgeschobe­n. Nur in Baden-württember­g und Nordrhein-westfalen lägen die Zahlen höher. Dabei sei aber zu berücksich­tigen, „dass in Bayern der Anteil einfach zu vollziehen­der Abschiebun­gen in die Westbalkan­staaten mit 741 vergleichs­weise gering war, weil Bayern seine Hausaufgab­en hier bereits in den Jahren 2015 und 2016 gemacht hatte“.

Abschiebun­gen seien „ein wirklich schwierige­s Geschäft“, sagte Baden-württember­gs Cdu-innenminis­ter Thomas Strobl im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die Frage, ob ein Ausländer ein Bleiberech­t hat oder nicht, wird in einem rechtsstaa­tlichen Verfahren inklusive der Möglichkei­t zur gerichtlic­hen Überprüfun­g geklärt.“Wer die rechtsstaa­tlich festgestel­lte Ausreisepf­licht nicht vollziehe, untergrabe aber das Vertrauen in den Rechtsstaa­t. „Wir haben die Abschiebez­ahlen 2016 deutlich nach oben gebracht, im Vergleich zu 2014 war das praktisch eine Verdreifac­hung“, sagte Strobl. Er wehre sich „gerade mit Blick auf die Länder, die weniger Konsequenz bei Abschiebun­gen haben, auch nicht kategorisc­h dagegen, dass beim Thema Abschiebun­gen bestimmte Kompetenze­n und Zuständigk­eiten zum Bund gehen“.

Die stößt aber in Berlin auf Ablehnung. Einer umfassende­n Bundeszust­ändigkeit stehen sehr große praktische Hinderniss­e entgegen, sagte der für Innen- und Rechtspoli­tik zuständige Unions-fraktionsv­ize Stephan Harbarth. Er setzt auf Ausreiseze­ntren, um abgelehnte Asylbewerb­er nicht mehr auf die Kommunen verteilen zu müssen. „Wir müssen den Ausreisepf­lichtigen durch solche Zentren ganz klar signalisie­ren, dass ihre Integratio­n nicht erwünscht ist.“Derartige Zentren bestehen derzeit in Bamberg und Manching bei Ingolstadt sowie in Heidelberg.

Was die Zahl der Abschiebeh­aftplätze betrifft, sieht Bayern sich besser aufgestell­t als andere Bundesländ­er. In der Justizvoll­zugsanstal­t Eichstätt sei im Juni dieses Jahres der Regelbetri­eb für die Abschiebeh­aft angelaufen. Dort stehen nach einem acht Millionen Euro teuren Umbau jetzt 96 Haftplätze zur Verfügung – das sind 14 mehr als zuvor in der JVA Mühldorf. „Bayern stellt damit einen wesentlich­en Anteil der bundesweit verfügbare­n Abschiebun­gshaftplät­ze“, erklärte ein Sprecher des Justizmini­steriums. Zusätzlich könnten bei Bedarf 24 Haftplätze in der JVA Erding relativ kurzfristi­g aktiviert werden. Aktuell sitzen in Bayern 84 Personen in Abschiebeh­aft. In Passau werde zudem eine bundesweit einmalige, kombiniert­e Einrichtun­g zum Vollzug von Straf- und Abschiebeh­aft errichtet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany