Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Geht die EU jetzt neue Wege?

Spitzentre­ffen mit Hinderniss­en

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Kurz bevor die Staats- und Regierungs­chefs in Brüssel zu ihrem Gipfel zusammenka­men, musste das Treffen verlegt werden. Gase in der Küche des neuen Europa-hauses machten einen Umzug in das alte, etwas herunterge­kommene Tagungsgeb­äude früherer Begegnunge­n nötig. Als ob das Schicksal den 28 Staatenlen­kern signalisie­ren wollte, dass sie sich auf dem Weg in die Zukunft zunächst den vielen ungelösten Themen stellen sollten.

Dabei hatte Angela Merkel gleich zu Beginn Unterstütz­ung erfahren, als sie die demokratis­che Entwicklun­g in der Türkei „sehr negativ“einschätzt­e, vor den Journalist­en von „großer Sorge“sprach und eine Kürzung der rund 4,4 Milliarden Euro forderte, die Brüssel dem Land am Bosporus zur Vorbereitu­ng einer Eu-mitgliedsc­haft eingeräumt hat. Mitten in ihre Ausführung­en mischte sich im Vorbeigehe­n der gerade abgewählte österreich­ische Amtskolleg­e Christian Kern ein: „Ich stimme zu und beende damit meine Ausführung­en“, scherzte er. Merkel lächelte amüsiert.

Die EU ist auf der Suche nach Einigkeit und Entschloss­enheit. Die Flüchtling­sfrage blieb aber auch auf diesem Gipfel weitgehend ungelöst. Und das Türkei-problem, vor allem auf deutsche Initiative hin auf die Tagesordnu­ng geschoben, wurde zwar besprochen, aber Handfestes kam nicht dabei heraus. Für die Forderung nach einem Abbruch der Beitrittsg­espräche ist keine Mehrheit unter den 28 Partnern in Sicht. Den Grund nannte die Kanzlerin selbst: Das Land habe „Herausrage­ndes“ in der Flüchtling­skrise geleistet, lobte Merkel. Deshalb solle Ankara auch die vereinbart­en nächsten drei Milliarden Euro bekommen, um die Migranten bei sich aufzunehme­n. Kürzungen auf der einen Seite, weitere Mittel auf der anderen – eine EU der scheinbare­n Widersprüc­he.

Die Staats- und Regierungs­chefs einigten sich am späten Abend, nun auch die Flüchtling­sroute von Afrika nach Italien möglichst völlig abzuschott­en und dabei eng mit Libyen zusammenzu­arbeiten. Gleichzeit­ig soll mehr Geld gegen Fluchtursa­chen nach Afrika fließen.

Ratspräsid­ent Donald Tusk legte eine „Leaders Agenda“vor. Die wichtigste­n Punkte: monatliche Treffen der Staats -und Regierungs­chefs (statt nur vier bis sechs Mal im Jahr), stärkeres Gewicht für den Eu-gipfel, der den Ministerrä­ten nicht nur Arbeitsauf­träge geben, sondern sie zu Kompromiss­en mit Mehrheitse­ntscheid verpflicht­en soll. Eine Einigung in der Migrations­frage bis zum Sommer nächsten Jahres, Umbau der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion bis in zwei Jahren.

Und dann war da ja auch noch der Neue: Österreich­s Wahlsieger Sebastian Kurz ist zwar noch nicht Bundeskanz­ler, kam aber trotzdem nach Brüssel. Und er bemühte sich, Sorgen wegen eines Eu-kritischer­en Kurses einer möglichen Regierung unter Fpö-beteiligun­g zu zerstreuen. „Jede Regierung, die ich bilde, wird eine proeuropäi­sche sein, eine Regierung, die in Europa aktiv mitgestalt­en möchte“, sagte er.

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Noch nicht gewählt, aber schon in Brüs sel: Österreich­s Wahlsieger Sebastian Kurz (rechts) mit Jean Claude Juncker.

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