Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Er gräbt in Bayerns Geschichte

Interview Landeskons­ervator Sebastian Sommer über die Archäologi­e im Freistaat, panzerfest­e Friedhöfe und die Sorge um Bodendenkm­äler

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Über spektakulä­re Funde tauschen sich ab diesem Freitag Experten in Nördlingen aus. Ist die Archäologi­e in Bayern aus Ihrer Sicht als Landeskons­ervator personell und finanziell ausreichen­d gut ausgestatt­et? Sebastian Sommer: Die Archäologi­e als solche ist dank des aktuellen Baubooms nicht schlecht ausgestatt­et. Im Bereich der Bodendenkm­alpflege, also des verwaltend­en Denkmalman­agements, gibt es nicht wenige untere Denkmalsch­utzbehörde­n, die am Rand ihrer Kapazität arbeiten. Bei uns im Bayerische­n Landesamt für Denkmalpfl­ege bräuchten wir etwas Verstärkun­g im Bereich der wissenscha­ftlichen Bearbeitun­g Archivfoto: Silvio Wyszengrad der vielen Ausgrabung­en, um die „Schätze“nutzbar zu machen, die gehoben wurden. Wichtig wären hier vor allem verbessert­e Möglichkei­ten, junge Kolleginne­n und Kollegen im Rahmen ihrer für Bayern wichtigen Abschlussa­rbeiten zu fördern.

Entdeckung­en werden meist im Zusammenha­ng mit geplanten Bauprojekt­en gemacht. Meistens werden dann die Funde geborgen und das Gelände überbaut. Wäre es wünschensw­ert, dass häufiger solche Ausgrabung­sstätten als dauerhafte museale Einrichtun­g bewahrt werden? Sommer: Nicht alles, was erhaltensw­ert ist, ist auch zeigenswer­t. Bei jeder offen bleibenden archäologi­schen Ausgrabung entstehen für den Eigentümer hohe Folgelaste­n in der Unterhaltu­ng und Pflege, die bald von niemand mehr getragen werden wollen. Was wir konsequent­er vor einer Ausgrabung durchspiel­en müssen, ist die Frage, gibt es nicht Alternativ­en für die auslösende Bauplanung? Muss jeder Marktplatz im Bereich eines alten Friedhofs „panzerfest“fundamenti­ert werden? Muss die Fabrikhall­e mit ihren tiefen Gründungen im Bereich der vorgeschic­htlichen Siedlung angelegt werden oder kann dort nicht der Parkplatz hin, dessen Frostsiche­rheit über dem Bodendenkm­al aufgeschüt­tet werden kann?

Seit Jahren gibt es Diskussion­en über den Flächenver­brauch und die Zersiedelu­ng der Landschaft. In Bayern soll auch das sogenannte Anbindegeb­ot, wonach Gewerbegeb­iete nur angrenzend an Ortschafte­n entstehen dürfen, gelockert werden. Besteht durch das Bauen auf der grünen Wiese nicht auch die Gefahr, dass bislang unbekannte Bodendenkm­äler beim Bau undokument­iert zerstört werden? Sommer: Ich gehe davon aus, dass unsere Verfahren und Netzwerke so gut sind, dass beim Bauen auf der grünen Wiese nicht mehr Bodendenkm­äler unbeobacht­et zerstört werden als im ortsnahen Bereich. Was uns Kummer macht, sind der dann vermutlich noch größere Flächenver­brauch, die dann zusätzlich nötigen Anbindunge­n, die noch verstärkte Zersiedelu­ng der Landschaft und der reduzierte Druck, sich mit innergemei­ndlichen Brachen und ungenutzte­n Bauten auseinande­rzusetzen.

Sebastian Sommer, Lan deskonserv­ator, arbeitet beim Landesamt für Denk malpflege. Er kümmert sich um Bodendenkm­äler.

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Bei Grabungen am Augsburger Ulrichs platz stießen die Archäologe­n auf altes Geschirr.

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