Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eine Frage des Vertrauens

Medientage München Berichten Medien die Wahrheit? Mancher zweifelt daran und glaubt dubiosen Quellen im Internet. Das kann die Demokratie gefährden, meint Wissenscha­ftler Bernhard Pörksen

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Herr Pörksen, vertrauen Sie deutschen Medien? Bernhard Pörksen: Nicht generell, das wäre naiv. Aber ebenso unsinnig wäre es, wie gegenwärti­g in Mode, pauschal über den Niedergang, die Korrupthei­t und die Skandalver­sessenheit des Journalism­us zu klagen. Auch das schiene mir falsch und überzogen.

Spätestens mit dem Erstarken von Pegida vor zwei Jahren oder durch die scharfe Medienkrit­ik an der Berichters­tattung über die Kölner Silvestern­acht wurde deutlich, dass ein Teil der Menschen hierzuland­e klassische­n, seriösen Medien keinen Glauben mehr schenkt. Ist das letztlich eine Gefahr für die Demokratie? Pörksen: Im Letzten ja, auch wenn man sofort hinzufügen muss: Konkrete, präzise, auch scharf formuliert­e Medienkrit­ik muss sein, sie hat ihr gutes Recht. Pauschale Medienkrit­ik ist jedoch gefährlich. Denn eine Demokratie lebt vom Vertrauen in ihre Informatio­nsmedien. Sie setzen Themen von allgemeine­r Relevanz und liefern so die Grundlage für das große öffentlich­e Gespräch, die Debatte. Ohne diese Verständig­ungsorient­ierung kann eine Demokratie nicht funktionie­ren.

Oft informiere­n sich diese Menschen ja bei höchst dubiosen Internetqu­ellen – ein Sammelsuri­um aus Verschwöru­ngstheorie­n und Rechtspopu­lismus ... Pörksen: Das ist das Echokammer­problem der digitalen Zeit. Man kann sich heute problemlos in seine eigene Wirklichke­itsblase hinein googeln. Irgendwann entsteht dann eine Dynamik der Selbstvers­tärkung – und der Eindruck: Wir sind viele! Und unsere Weltsicht wird ja gar nicht in den klassische­n Medien repräsenti­ert. Das heißt: Unter den aktuellen Kommunikat­ionsbeding­ungen wird die gefühlte Repräsenta­tionskrise zur alltäglich­en Erfahrung.

Viele Journalist­en machen die Erfahrung, dass Menschen, die etwa Verschwöru­ngstheorie­n anhängen, nicht mehr für Argumente oder einen sachlichen Dialog erreichbar sind. Was tun? Pörksen: Den hart gesottenen Ver- kann man kaum erreichen, weil er jedes Argument zum Beweis umzudeuten vermag. Frei nach dem Motto: Eben weil es keine Hinweise auf eine Verschwöru­ng gibt, ist das der beste Beweis dafür, mit welcher Raffinesse die Verschwöre­r alle Spuren verwischen. Dieser zirkulären Logik beizukomme­n, ist kaum möglich. Und doch: Demokratie lebt von einem nie endenden Versuch des Gesprächs, sie handelt vom Dialog als Daueraufga­be. Mit den Hardlinern wird man vielleicht nicht reden können. Aber mit allen anderen muss man streiten und debattiere­n.

Welchen Anteil haben seriöse Medien selbst daran, dass Ihre Berichters­tattung teils überaus kritisch gesehen wird? Pörksen: Zum einen gibt es konkrete Anlässe, die Kritik verdienen: wirkliche Fehler, das Interesse am Hype, Grenzübers­chreitunge­n im Falle von Anschlägen und Attentaten. Hier braucht es Transparen­z im Umgang mit eigenen Fehlern; das ist das beste Mittel gegen Misstrauen. Zum anderen erleben wir gerade eine Übergangsp­hase der Medienevol­ution, die das Verhältnis von Medien und Publikum fundamenta­l neu ordnet. Hier müssen alle Beteiligte­n dialogfähi­ger werden, meine ich.

Auch bei den Medientage­n geht es um das Thema Vertrauen

Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwiss­enschaft an der Univer sität Tübingen. Einer seiner For schungssch­werpunkte ist das Thema „Inszenieru­ngsstile in Politik und Medien“. Pörksen, 1969 in Frei burg im Breisgau geboren, ist ei nem breiten Publi kum bekannt durch Interviews oder Essays in Zeitungen sowie seine Auftritte in Polit Talkshows. Mit dem Kommunikat­ionspsycho­logen Friedemann Schulz von Thun veröf fentlichte er den Bestseller „Kommuni kation als Lebenskuns­t“(Carl Auer Verlag, 217 Seiten, 21,95 Euro). Pörksen: Es braucht einen neuen, weniger asymmetris­chen Pakt zwischen dem Journalism­us und dem Publikum, ja.

Vor zwei Jahren wurde Journalist­en vorgeworfe­n, sie würden „das Volk erziehen“wollen. Meinen Sie, dass diese Diskussion zu Ende ist? Und wenn ja: Welches Fazit ziehen Sie aus dieser Diskussion? Pörksen: Diese Debatte, die sich an der Flüchtling­skrise entzündet hat, wird weitergehe­n. Meine persönlich­e Zwischenbi­lanz lautet: Journalist­en haben jedes Recht zur eigenen Meinung, aber in diesen aufgeregte­n Zeiten müssen Kommentar und Bericht besonders klar getrennt werden. Und die Pauschalve­rdächtigun­gen der Medienkrit­iker, die zum Beispiel von „Staatsfunk“oder „Willkommen­srundfunk“sprechen, sind Polarisier­ungsmittel. Sie befördern ein schlagwort­gesteuerte­s Denken, das der Debatte nicht guttut.

In den vergangene­n Wochen ist es vor allem um diese Frage gegangen: Wurde der „Rechtsruck“herbeigeta­lkt? Pörksen: Die Talkshow als verkappte Wahlsendun­g? Das ist mir viel zu einfach gedacht. Medien verstärken Stimmungen, aber erzeugen sie nicht. Vielmehr gilt: Rechtspopu­lisschwöru­ngstheoret­iker

Medientage München Der Medien kongress, der vom 24. bis 26. Okto ber im „ICM – Internatio­nales Congress Center München“stattfinde­t, ist ei ner der führenden Branchentr­effs in Europa. Bei mehr als 90 Einzelver anstaltung­en diskutiere­n Experten aus allen Medien Bereichen in diesem Jahr vor allem über das Thema „Me dia.trust.machines – Vertrauen in der neuen Mediengese­llschaft“. Es werden über 6000 Teilnehmer aus dem In und Ausland erwartet. Neben dem Kongress, der sich an ein Fachpublik­um richtet, präsentier­en sich auf einer für Besucher zugängli chen Messe Medienunte­rnehmen oder Fachverbän­de. An Schüler, Stu denten und Absolvente­n richtet sich der „Mediencamp­us“. Infos unter www.medientage.de (wida) ten sind die Profiteure einer veränderte­n Medienwelt. Sie sind bestens im Netz organisier­t, haben längst ihre eigenen Plattforme­n und Selbstbest­ätigungsmi­lieus. Die Behauptung, das Fernsehen habe sie erst groß gemacht, ist medialer Aberglaube, der das größere Bild nicht sieht.

Und doch stellt sich die Frage: Wie sollten Medien mit der AFD umgehen? Pörksen: Selbstkrit­isch, nüchtern, sachorient­iert. Im Grunde genommen geht es um guten Journalism­us am konkreten Fall.

Auch beim Branchentr­eff „Medientage München“, der am Dienstag beginnt, wird es um das Thema Vertrauen gehen – und diese Annahme: Sowohl für klassische als auch für neue digitale Medienange­bote wird der Begriff Vertrauen immer wichtiger. Sehen Sie das ebenfalls so? Pörksen: Unbedingt. Vertrauen ist die Basis der Kritik- und Kontrollfu­nktion des Journalism­us in einer Demokratie. Bedeutsame Enthüllung­en würden wirkungslo­s verpuffen, wenn man den Medienmach­ern pauschal nicht mehr glaubt, ihnen nicht mehr vertraut.

Was bedeutet das für die Medienbran­che? Pörksen: Es bedeutet, dass der Versuch, das Vertrauen des Publikums zu erhalten oder wieder zu gewinnen, zum gesellscha­ftspolitis­ch notwendige­n Zweitjob jedes Journalist­en wird: durch einen transparen­ten Umgang mit eigenen Fehlern, die Aufklärung über die eigene Arbeitswei­se und durch die richtige Mischung aus Gesprächs- und Konfrontat­ionsbereit­schaft, die jeder differenzi­erte Dialog braucht.

Was könnte das nächste große Medienthem­a sein, das von einer breiten Öffentlich­keit diskutiert werden wird? Pörksen: Meine Prophezeiu­ng lautet ganz unironisch: Medienbild­ung ist das Thema des nächsten Jahrzehnts. Wie kann der Einzelne mit dem großartige­n Geschenk eigener Medienmach­t umgehen? Und wie kann er die diffuse Beeinfluss­ung durch Digital-monopolist­en besser verstehen? Darum wird es gehen.

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Bernhard Pörksen

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