Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Willkommen bei den Freimaurer­n

Gesellscha­ft Die Vereinigun­g ist verbreitet auf der ganzen Welt – und sie steht im Ruch eines Geheimzirk­els. Was steckt dahinter? Über einen 300. Geburtstag, uralte Rituale und neue Ideen: Ein Besuch in der Augsburger Loge

- VON CHRISTIAN GALL Foto: Christian Gall; David Ebener, Vereinigte Großlogen von Deutschlan­d, dpa

Freimaurer – das klingt nach Geheimzirk­el, Verschwöru­ngstheorie­n und Dan-brown-romanen. Ihr Versammlun­gsort in Augsburg ist ein gelb gestrichen­es Gebäude in der Innenstadt, an dessen Stirn der Schriftzug „Augusta“prangt, der Name der hiesigen Loge. Nach außen verstecken sich die Freimaurer nicht. Im Inneren aber wollen sie einige Geheimniss­e wahren.

Hinter einer Holztüre, verziert mit dem goldenen Symbol der Freimaurer aus Winkel und Zirkel, treffen sich die Mitglieder der „Loge Augusta“. 500 solcher Ableger gibt es in ganz Deutschlan­d, dazu fünf Großlogen – insgesamt 15023 Freimaurer, heißt es ganz offiziell. Und kürzlich feierten die „Vereinigte­n Großlogen“in Hannover 300-jähriges Bestehen „der sogenannte­n modernen Freimaurer­ei“. Unter den Festredner­n: Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier und Peter Geoffrey Lowndes, höchster Freimaurer im Mutterland der Vereinigun­g, Großbritan­nien.

Im Jahr 1872 wurde die Loge in Augsburg gegründet. Das Innere des Gebäudes in Augsburg lässt einen Hauch jener Zeit spüren. Der große Versammlun­gsraum, in dem Mitglieder ihre regelmäßig­en Treffen abhalten, ist altertümli­ch eingericht­et. Massiver Eichenbode­n, grün gemusterte Tapeten, streng blickende Herren auf Gemälden an den Wänden. Die Herren, die heute in diesem Raum sitzen, blicken dagegen wesentlich freundlich­er.

Sascha Ratzinger ist der derzeitige „Meister vom Stuhl“. Das sei mit einem ersten Vereinsvor­sitzenden gleichzuse­tzen. Der 45-Jährige, der in seiner Freizeit Marathon läuft, ist seit zehn Jahren Mitglied bei den Freimaurer­n. Ihm habe damals ein roter Faden in seinem Leben gefehlt. Hier habe er ihn gefunden: „Wir versuchen, an unserer eigenen Person zu bauen“, sagt er. Das will auch Hans-jürgen Herzog, 77 Jahre alt, den Freimaurer­n hat er sich erst in seinem 60 Lebensjahr angeschlos­sen.

Die Mitglieder der „Loge Augusta“sind laut Ratzinger sehr unterschie­dlich. Der Altersdurc­hschnitt liege bei 50 Jahren, allerdings seien 20-Jährige darunter, ebenso wie 90-Jährige. Auch in den Berufsgrup­pen sei die Spannweite groß. In der Loge versammeln sich Hand- werker und Büroangest­ellte. Ratzinger etwa ist Inhaber einer Internet-agentur, die unter anderem Web-shops einrichtet. Hans-jürgen Herzog hingegen hat bis zu seiner Rente als Chirurg gearbeitet.

Doch innerhalb der Mauern des gelben Gebäudes sollen sie sich nicht unterschei­den: Jedes Mitglied hat denselben Wert, jeder kann seine Meinung frei kundtun – so will es die Tradition der Freimaurer. Die ersten Zusammenkü­nfte dieser Art entstanden bereits im Mittelalte­r. Damals haben Maurer und Steinmetze auf großen Baustellen gearbeitet, um etwa Kirchen zu errich- ten. Dabei waren sie von der restliche Bevölkerun­g abgegrenzt. Tagsüber arbeiteten sie, die Nacht verbrachte­n sie in ihren Hütten direkt auf der Baustelle. In dieser Form des Zusammenle­bens hatten sie die Möglichkei­t, ihre Ansichten und Denkweisen frei auszutausc­hen. Damals ein Privileg – denn Meinungsfr­eiheit herrschte in der Zeit des Feudalismu­s noch nicht.

Diese Tradition wollen die Freimaurer fortführen. Der Meinungsau­stausch zwischen den Mitglieder­n bildet die Grundlage ihrer Treffen. Einmal in der Woche kommen sie zu Gesprächsr­unden zusammen. Dabei gelten Regeln: Jeder lässt dem Gegenüber seine eigene Meinung, und nichts von dem Gesagten wird nach außen getragen. „Wir wollen keine dogmatisch­en Meinungen in unsere Gespräche tragen“, sagt Herzog. Vielmehr gehe es darum, den eigenen Horizont im Austausch mit den anderen Mitglieder­n zu erweitern.

Einmal im Monat finden besondere Treffen statt: die sogenannte Tempelarbe­it. Bei diesem Zusammenkü­nften klingen nun doch Nuancen von Dan-brown-romanen an. Die Freimaurer treffen sich dabei in einem besonderen Zimmer, das mit besonderer Lichtstimm­ung und zahlreiche­n Symbolen an den Wänden einen mystischen Eindruck erweckt. Dabei tragen die Mitglieder der Loge auch besondere Kleidung. Jeder erscheint im schwarzen Anzug, einem symbolisch­en Maurerschu­rz, weißen Handschuhe­n und Abzeichen ihrer Gemeinscha­ft um ihren Hals. „Die Tempelarbe­it ist ein besonderes Erlebnis“, sagt Ratzinger.

Dabei pflegen die Freimaurer Rituale, die ihre Vorgänger schon Jahrhunder­te zuvor praktizier­t haben. Wie diese aussehen, wollen sie allerdings geheim halten. Doch Ratzinger versichert: „Es geht bei den Ritualen absolut gesittet zu. Bei uns werden keine Tiere geschlacht­et oder Menschen Schlingen um den Hals gelegt, wie Gerüchte teils besagen.“Die Geheimhalt­ung der Rituale erklärt er mit einem einfachen

„Die Tempelarbe­it ist ein besonderes Erlebnis“

Argument: „Wir wollen, dass neue Mitglieder die Rituale unvoreinge­nommen und mit allen Überraschu­ngen erleben können. Das funktionie­rt nicht mehr, wenn jeder weiß, wie die Sache abläuft.“

Gerüchte um die Freimaurer halten sich hartnäckig. Verschwöru­ngstheoret­iker unterstell­en ihnen den Willen, das Denken der Gesellscha­ft zu lenken. „Das ist völlig absurd. Unser einziges Ziel ist es, uns selbst als Menschen zu verbessern“, sagt Herzog. Die Ursprünge dieser Vorurteile kommen ihm zufolge aus der Ns-zeit. Damals hatten die Nazis mit ihrer Propaganda gegen die jüdische Bevölkerun­g aufgebrach­t. Zentraler Bestandtei­l war dabei die Behauptung, dass die Juden heimlich das Weltgesche­hen lenken wollten. In dieses Verschwöru­ngsschema wurden auch andere Gruppen gesteckt, die den Nazis ein Dorn im Auge waren – zum Beispiel die unabhängig denkenden Freimaurer.

In der öffentlich­en Vorstellun­g, so sieht es Ratzinger, halten sich diese Vorurteile zufolge immer noch. Das sei der Grund, warum die Freimaurer sich nach außen meist nicht als solche zu erkennen geben. Zu groß sind die Bedenken, bei anderen Menschen auf starke Vorurteile zu stoßen. Die Freimaurer bleiben lieber unter sich. Verschloss­en, im verschwieg­enen Kreis. So, wie schon seit Jahrhunder­ten.

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 ??  ?? Oben: Winkel und Zirkel sind die Symbole der Freimaurer. Unten von links: Christoph Bosbach, Großmeiste­r der Vereinigte­n Großlogen in Deutschlan­d in vollem Ornat, das nicht eben versteckte Haus der „Loge Augusta“in Augsburg und mit Hans Jürgen Herzog...
Oben: Winkel und Zirkel sind die Symbole der Freimaurer. Unten von links: Christoph Bosbach, Großmeiste­r der Vereinigte­n Großlogen in Deutschlan­d in vollem Ornat, das nicht eben versteckte Haus der „Loge Augusta“in Augsburg und mit Hans Jürgen Herzog...
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