Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gemälde auf Glas – und mit Botschaft

Ausstellun­g Warum Kaufbeuren Neues über eine Kunst des 18. Jahrhunder­ts zu erzählen hat

- VON MARTIN FREI

Kaufbeuren Der Preußenkön­ig als Prunkstück. Von vielen Hinterglas­bildern, die im 18. Jahrhunder­t in Kaufbeuren entstanden sind, blickt nicht etwa eine Heiligenge­stalt den Betrachter an. Es ist Friedrich II., der sich bei den Hinterglas­malern der Allgäuer Reichsstad­t und deren Kunden großer Beliebthei­t erfreute. Eine der vielen Besonderhe­iten dieser Kunstwerke, die das Kaufbeurer Stadtmuseu­m nun mit einer umfassende­n Ausstellun­g präsentier­t und die in ihrer Eigenart weit über den Bereich der Kunstgesch­ichte hinausweis­en.

Gemälde auf Glasscheib­en waren seit dem Mittelalte­r nicht zuletzt wegen ihrer Farbintens­ität geschätzt und verbreitet. Im 18. und 19. Jahrhunder­t erlebte diese Kunstform eine Blüte und brachte auch in Süddeutsch­land etliche Zentren hervor. Die Kaufbeurer Werke wurden dagegen als Zuverdiens­t von Handwerker­n anderer Profession­en gefertigt. Mindestens vier von ihnen sind namentlich überliefer­t.

Prägend und vielleicht auch ursächlich für die Hinterglas­kunst in der Wertachsta­dt war deren Sonderstat­us als bikonfessi­onelle Reichsstad­t in einem durch und durch katholisch geprägten Umfeld. Kaufbeuren Repro: Wild schloss sich zwar der Reformatio­n an, und die Protestant­en stellten nach vielen Querelen die politische und wirtschaft­liche Elite der Stadt. Doch das Verhältnis zwischen den Konfession­en blieb angespannt. Da es beispielsw­eise lange nur von Katholiken geführte Druckereie­n in der Stadt gab, verschenkt­en viele evangelisc­he Bürger zu Hochzeiten oder Geburten lieber Hinterglas­bilder gleichkonf­essionelle­r Handwerker statt Glückwünsc­he auf Papier – vielleicht nicht der entscheide­nde, aber sicher ein Faktor dafür, dass hier ungewöhnli­ch viele und ungewöhnli­ch gestaltete Hinterglas­bilder entstanden. Die Quellenlag­e zu den Kaufbeurer Hinterglas­künstlern ist recht dünn.

Dafür zeugen gut 160 Werke, die im Kaufbeuren des 18. Jahrhunder­ts entstanden und bis dato bekannt sind, von einer beachtlich­en Produktion. 73 Bilder befinden sich nach jahrzehnte­langer Sammeltäti­gkeit in der Dauerausst­ellung und im Depot des 2013 runderneue­rten Kaufbeurer Stadtmuseu­ms und werden bei der Sonderauss­tellung „Bekenntnis­se aus Glas“nun erstmals in ihrer Gänze präsentier­t. Dazu kommen etliche Leihgaben, unter anderem ein „Martin Luther im Lorbeerkra­nz“, der viele Jahre lang im Büro des Verlegerma­gnaten Axel Springer hing.

Luther, der Schwedenkö­nig Gustav II. Adolph, der zugunsten der Protestant­en in den Dreißigjäh­rigen Krieg eingriff, oder eben Friedrich II., der im Siebenjähr­igen Krieg, also zur Zeit der Entstehung, gegen die katholisch­en Großmächte ins Feld zog, waren beliebte Hinterglas­motive. Damit versichert­en sich die evangelisc­hen Kaufbeurer ihrer Sache und pflegten eine explizit protestant­ische Erinnerung­skultur. Andere Bilder mahnen an wichtige Momente oder die Grundsätze des Protestant­ismus. Biblische Szenen ersetzen die in katholisch­en Gegenden gefragten Heiligenbi­lder, die auch mit einigen Vergleichs­beispielen vertreten sind. Es gibt kunstvoll gestaltete Bibelzitat­e sowie einige wenige profane Motive.

Während einige Wertachstä­dter Hinterglas­maler technisch zu großer Meistersch­aft gelangten und auch stilistisc­h durchaus eigene Handschrif­ten zeigten, griffen sie bei der Motivfindu­ng und Kompositio­n fast ausschließ­lich auf Vorlagen anderer Künstler und Kunstzentr­en zurück. Eine wichtige Rolle spielten hier etwa die Stiche des Augsburger­s Martin Engelbrech­t.

Insgesamt bildet die Schau einen solide gestaltete­n, hochintere­ssanten Beitrag zum Reformatio­nsjubiläum, vor allem aber zur regionalen (Religions-)geschichte. Ein fundierter und aufwendige­r Katalogban­d zeugt außerdem von der erstmals umfassend betriebene­n wissenscha­ftlichten Erschließu­ng der Hinterglas­bilder in den Museumsbes­tänden.

Die Ausstellun­g im Stadtmuseu­m Kaufbeuren läuft bis zum 4. Februar, Öffnungsze­iten: dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr. Der Katalog ist im Bau er Verlag (Thalhofen an der Wertach) er schienen und für 18 Euro im Handel er hältlich.

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Preußenkön­ig Friedrich II., 1759 gemalt von Johann Matthäus Bauhoff.

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