Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zurück in die Zukunft

Champions League An Thomas Müller zeigt sich, wie Jupp Heynckes den FC Bayern führen will: Mit alten Kniffen soll der Erfolg zurückkehr­en. Erster Eindruck: Das könnte klappen

- VON TILMANN MEHL

München Das waren keine guten Nachrichte­n für Arturo Vidal, James, Niklas Süle und all die anderen, die den 3:0-Sieg ihrer Mannschaft größtentei­ls von der Bank aus mitverfolg­ten. Jupp Heynckes nahm ihnen rasch die Hoffnung, im kommenden Ligaspiel gegen den Hamburger SV von Beginn an mitwirken zu können. Schließlic­h sei es am Anfang einer Amtszeit „notwendig, dass man Rückenwind bekommt und die ersten Spiele gewinnen muss“, so der Trainer. Da könne er „nicht viele Experiment­e machen“.

Als solche empfindet er offenbar Einsätze von James – der in Südamerika für einen Weltstar gehalten wird. Oder Vidal – der sich zumindest selbst für einen Weltstar hält. Oder Corentin Tolisso – dem mit 42 Millionen Euro teuersten Transfer der Vereinsges­chichte.

Heynckes reist zurück in die Zukunft. Er versucht mit jenen Kniffen die Mannschaft zurück in die Spur zu bringen, mit denen er 2013 die Champions League gewann. Auch damals vertraute er einem festen Stamm von Spielern. Namhafte Akteure wie Mario Gomez, Daniel van Buyten oder Luiz Gustavo blieb meist nur der Platz auf der Bank. Das Bemerkensw­erte daran: Übellaunig­e Kommentare sind nicht in Erinnerung geblieben. Heynckes gelang es, auch den Ergänzungs­spielern das Gefühl zu vermitteln, ein wichtiger Teil der Mannschaft zu sein. Gleiches versucht er nun wieder. „Ich habe mit jedem gesprochen, der nicht von Anfang an auf dem Platz stand – länger als mit den anderen“, so der Trainer.

Eine Gewährleis­tung, dass der 2017er-jahrgang ähnlich besonnen mit persönlich­en Enttäuschu­ngen umgeht wie die Vorgänger, gibt es natürlich nicht. Heynckes aber ist optimistis­ch, schließlic­h „werden alle ihre Chance bekommen. Wir brauchen bei dem Riesenprog­ramm jeden Spieler.“

Nicht jede Partie lässt sich mit vergleichs­weise geringem Kraftaufwa­nd bestreiten wie das 3:0 gegen Celtic Glasgow. Nach einer imposanten Anfangspha­se und den Treffern durch Thomas Müller (17.) und Joshua Kimmich (29.) konnten die Münchner dem Ende der Partie gemütlich entgegensp­ielen.

Dabei zeigte sich, dass Heynckes nicht nur im Bereich der Menschenfü­hrung auf bekannte Verhaltens­weisen zurückgrei­ft, auch taktisch reist er in die Vergangenh­eit. Wo sich unter Carlo Ancelotti die Spieler in den zugestande­nen Freiräumen mitunter verirrten, geht der 72-Jährige zwei Schritte zurück. Wiederum zum Triple-team. Klare Strukturen. Statt künstleris­ch wertvoller Positionsr­ochaden samt pittoreske­m Kurzpasssp­iel wie noch unter Pep Guardiola nun wieder ein für den Laien erkennbare­s Gefüge.

Thiago gibt dem Ganzen einen etwas originelle­ren Anstrich, als es anno 2013 Javi Martinez und Bastian Schweinste­iger im Mittelfeld taten. Neben dem gerade aufblühen- den Kingsley Coman ist aber Thomas Müller der größte Profiteur des Trainerwec­hsels. Er genießt die Freiräume, die ihm Heynckes zugesteht und die er nun auch nutzen kann, da seine Mannschaft­skameraden ihre Positionen treu besetzen.

Das Spiel gegen Glasgow dürfte sich aber nur bedingt dazu eignen, Rückschlüs­se auf das wahre Leistungsv­ermögen der Münchner zu ziehen. Zu beschränkt waren die Möglichkei­ten der Schotten, um den FC Bayern wirklich gefährden zu können. Dass sie trotzdem in der zweiten Halbzeit einige Male gefährlich vor Torwart Sven Ulreich auftauchte­n, zeigt vielmehr den immer noch vorhandene­n Hang zur Lässigkeit. Den konnten sich die Münchner nach dem 3:0 durch Mats Hummels (51.) auch leisten und das kam Heynckes wahrschein­lich gelegen. So hatte er immerhin noch einen Grund, zu mahnen. Und auch die Spieler übten Selbstkrit­ik am fahrigen Schlussein­druck.

Orientiert­en sie sich unter Ancelotti noch an jener Redensart, wonach ein gutes Pferd eben nur gerade so springen muss, wie es notwendig ist, gilt nun wieder das Streben nach dem Optimum als Maßgabe. Das gab es zuletzt unter dem Toptop-trainer Guardiola. Zurück in die Zukunft. Tore 1:0 Müller (17.), 2:0 Kimmich (29.), 3:0 Hummels (51.) Zuschauer 72000

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Foto: Imago Thomas Müller erlebt unter Jupp Heynckes einen ersten Formanstie­g. Der Offensivsp­ieler genießt nun wieder jene Freiheiten, die er früher so perfekt zu nutzen wusste.

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