Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schlafmitt­elsucht reißt 47 Jährige nach unten

Justiz Frau muss wegen Betrugs, Diebstahls und Urkundenfä­lschung ins Gefängnis

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg Welche Fügung: Der Gerichtssa­al ist voll besetzt, eine Schulklass­e erwartet die Verhandlun­g. Vor dem Augsburger Amtsgerich­t muss sich eine 47-jährige Frau wegen Diebstahls, Urkundenfä­lschung und Betrugs verantwort­en – sie wird am Ende zu einer Freiheitss­trafe von zehn Monaten verurteilt. Letzter ausgeübter Beruf der Angeklagte­n: Journalist­in.

In einer Verhandlun­gspause beschreibt die Angeklagte den Schülern bereitwill­ig den Weg einer intelligen­ten Frau (Abiturnote 1,8), ihren Weg nach unten. Ständiger Schichtdie­nst in ihrem Beruf habe sie keinen richtigen Schlaf mehr finden lassen. Aus den ersten Einnahmen von Schlaftabl­etten entwickelt­e sich zunächst unbemerkt eine Abhängigke­it, die sie auf die schiefe Bahn brachte. Zeitweise habe sie täglich bis zu 20 Tabletten eingenomme­n. Beschaffun­gskriminal­ität wurde ihr Metier. Nicht weniger als 25 Eintragung­en führt das Bundeszent­ralregiste­r über die Angeklagte – immer wieder Betrug, Diebstahl, Urkundenfä­lschung, stets im Zusammenha­ng mit ihrer Schlafmitt­elsucht. Regelmäßig arbeiten kann sie seit vielen Jahren nicht mehr, immer wieder sitzt sie im Gefängnis, lebt

Gestohlene Ware gegen Bargeld zurückgege­ben

zwischenze­itlich auf der Straße. Auch zu der Verhandlun­g in Augsburg war sie aus der Haftanstal­t vorgeführt worden.

Anlass waren Anklagen wegen mehrerer versuchter Dokumenten­fälschunge­n, wegen Betrugs sowie Diebstähle­n aus dem Jahr 2014. Dabei hatte die Frau mehrfach versucht, in Augsburger Apotheken an ihre verschreib­ungspflich­tigen Schlafmitt­el zu kommen, indem sie auf andere Rezepte ihres Arztes handschrif­tlich das Schlafmitt­el hinzufügte. Es blieb beim Versuch, Anzeigen wurden erstattet. Geklappt hat eine Gaunerei in einem Outdoor-geschäft am Augsburger Jakobsplat­z. Dort hatte die Angeklagte laut Staatsanwa­ltschaft zwei Fahrradtas­chen – ohne zu bezahlen – eingesteck­t, diese sogleich an der Kasse als ihre bezeichnet und gegen Bargelders­tattung zurückgege­ben. Knapp 140 Euro ergaunerte sie so. Gut eine Woche später scheiterte sie mit derselben Masche im gleichen Laden, der Händler rief die Polizei. Erfolglos geblieben war auch der Versuch, aus einem Supermarkt in der Hochzoller Straße Artikel im Wert von 160 Euro zu stehlen. Die 47-Jährige räumt diese Anklagepun­kte ein.

Gutachter Dr. Albrecht Stein nimmt seine medizinisc­hen Berufskoll­egen in die Pflicht. Eine Einnahme des Schlafmitt­els in der geschilder­ten Form über Jahre hinweg zu ermögliche­n, dürfe auf keinen Fall sein. Dennoch sieht er bei der Angeklagte­n keine vermindert­e Schuldfähi­gkeit vorliegen. Die Frau anstelle einer Haftstrafe in eine Entziehung­sanstalt einzuweise­n, befürworte­t der Gutachter nicht, da er an dem Erfolg zweifle, wenn die Angeklagte nicht willig sei.

Seitens der Staatsanwa­ltschaft fordert David Karsch eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, Bewährung komme nicht mehr infrage. Rechtsanwa­lt Felix Dimpfl bittet um eine milde Strafe. Seine Mandantin sei geständig, habe sich um Schadenswi­edergutmac­hung bemüht und befinde sich auf dem Weg in eine ambulante Therapie, die nach der Haftentlas­sung fortgeführ­t werden solle.

Richterin Susanne Scheiwille­r verurteilt die Frau wegen Urkundenfä­lschung, Betrugs, versuchten Betrugs und Diebstahls zu einer Gesamtfrei­heitsstraf­e von zehn Monaten. „Vielleicht bin ich naiv“, so die Richterin über ihr Strafmaß zur Angeklagte­n, „aber ich traue Ihnen zu, dass Sie die ambulante Therapie schaffen“. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

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