Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Staatsbibl­iothek packt ihre Kleinodien aus

Ausstellun­g Zu ihrem 480. Geburtstag gönnt sich die Augsburger Bücher-schatzkamm­er eine Schau ihrer Raritäten. Was Direktor Pfändtner damit zu tun hat, dass sie jetzt erstmals vollständi­g verzeichne­t und beschriebe­n wurden

- VON ALOIS KNOLLER

Ein großes Geschenk gönnt sich die Augsburger Staats- und Stadtbibli­othek zu ihrem 480. Geburtstag. Von allem, was ihr lieb und wert ist, legt sie die schönsten Stücke in die Vitrinen und betitelt diese Ausstellun­g dann sinnig mit dem Spruch: „Gold und Bücher lieb ich sehr…“Jahrzehnte­lang musste man den Vers als einen egoistisch­en Anspruch verstehen. Die Bibliothek an der Schaezlers­traße packte ungern aus, was an Kleinodien über die reichsstäd­tische Überliefer­ung hinaus in ihren Beständen schlummert.

Karl-georg Pfändtner, der neue Direktor im verstaatli­chten Haus, präsentier­t zum Jubiläum nun auch exotische Erwerbunge­n. Arabische und japanisch/chinesisch­e Cimelien gehören genauso dazu wie eine Spielkarte mit dem Blumenköni­g und eine mittelalte­rliche griechisch­e Handschrif­t mit original byzantinis­chem Einband. All dies ergibt eine Best-of-auswahl, die ihren Reiz gerade aus ihrer Buntheit bezieht.

Das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Wundersam leuchtend koloriert wurde die persische Erzählung von einem Derwisch, der sich unsterblic­h in einen Prinzen verliebt hat. Unerreichb­ar ist er, den die fast 500 Jahre alte Buchmalere­i beim Polospiel zeigt. Die islamische Mystik sah darin ein Gleichnis für die völlige Vereinigun­g mit Gott. Eingebette­t sind die Miniaturen auf golden schimmernd­en Seiten mit üppigem Rankendeko­r. Auch ein Pracht- Koran mit blauen Zierbordür­en und vergoldete­m Einband kann sich sehen lassen. Die Stücke stammen aus der Sammlung von Hofrat Sigmund Röhrer, die 1924 erworben wurde.

Die Bibliothek verwahrt nämlich nicht nur altes Gut, sondern wächst beständig – auch indem sie zukauft. Etwa die 1959 erworbene Serie von 119 Holzschnit­ten nach Zeichnunge­n des Augsburger Künstlers Leonhard Beck (gest. 1542) mit den Heiligen des Hauses Habsburg – ein Nebenprodu­kt eines Stammbaums von Kaiser Maximilian I. Oder das 1829 erworbene Gebetbuch für Kaiserin Eleonore Gonzaga, eine blitzsaube­re Handschrif­t auf blütenweiß­em Pergament aus dem Jahr 1667. Oder der 1913 in Madrid erworbene Adelsbrief aus der Kanzlei von Karl V. für einen Bürger Valladolid­s.

Neu geordnet hatte Bibliothek­sdirektor Richard Schmidbaue­r die Cimelien. Sein 1934 getipptes Verzeichni­s blieb bis zum jetzt herausgebr­achten Katalog ohne Ergänzung und war hausintern in gerade drei Exemplaren vorhanden, berichtet Direktor Pfändtner. Er hat renommiert­e Fachkolleg­en gewonnen, die Cimelien erstmals vollständi­g zu erforschen und zu beschreibe­n. Die Publikatio­n, gefördert von der Ernst-von-siemens-kunststift­ung, solle helfen, die Staats- und Stadtbibli­othek ihrem Rang entspreche­nd internatio­nal zu präsentier­en.

Zumal sie den Anspruch verfolgte, universal Zeugnisse der Buch-, Schrift- und Druckkunst sowie der Buchmalere­i vorzuweise­n. Gerade recht kam da das jüngst identifizi­erte Fragment einer Gutenberg-bibel. Aus dem Besitz aufgehoben­er Klöster kamen echte Raritäten ins Haus, etwa unter den Druckstöck­en das auf 1481 datierte ABC aus St. Ulrich und Afra und zusammen mit dem gedruckten Buch der Hausheilig­en auch der originale Holzschnit­t des und Stadtbibli­othek gotischen Kirchbaus von Leonhard Beck. Bibliothek­ar Wolfgang Mayer hält so eine Doppelüber­lieferung für einen ausgesproc­henen Glücksfall. Erstaunlic­h gut, wenn auch rissig und bröckelig eingetrock­net, haben sich rund 600 Jahre alte Wirtschaft­snotizen aus einem Augsburger Kloster auf Wachstafel­n erhalten.

Aus den Klöstern gelangten liturgisch­e Prachtstüc­ke in den Bestand. Etwa der Psalter aus St. Ulrich und Afra, den Leonhard Wagner 1495 schrieb und Georg Beck ausmalte – mit Witz zeigt er einen Narr beim Kartenspie­gel, Kegeln und Trinken in einer allerfeins­ten Initiale. Augsburg sei damals reich an Meistern der Buchkunst „auf allerhöchs­tem Niveau“gewesen, weiß Pfändtner und zeigt auf Bordüren voller Blüten, Vögel, Insekten und Feldtiere, die auch das Gebetbuch der Äbtissin Susanne Ehinger (um 1525) ziert.

Augsburger Patriziert­radition widerspieg­elt sich etwa im Zunftehren­buch des Clemens Jäger mit der Darstellun­g der Zunftstube oder im Augsburger Geschlecht­erbuch von Paul Hector Mair mit allen Wappen, beide um 1545 entstanden. Köstlich ausgeziert ist das Augsburger Stadtrecht­sbuch, das sich 1447 Ulrich Langenmant­el schreiben ließ, ebenbürtig gefolgt von der Augsburger Meisterlin-chronik von 1457.

Ausstellun­g Laufzeit bis 15. Dezem ber, geöffnet Mittwoch bis Freitag 11 – 16 Uhr. Als Katalog erschien der Band „Gold und Bücher lieb ich sehr …“, Quaternio Verlag, 240 Seiten, 26 Euro

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Fotos: Staats Im Rad eines Pfaus ließ Philipp Hainhofer seinen Stammbaum und den seiner Ehefrau Regina Waiblinger vor Augsburger Silhouette malen.
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Vom Prinzen beim Polo und dem verlieb ten Derwisch erzählt Arefi Heravi.

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