Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Letzter Vertrauter: ein Gartenzwer­g namens Karl Heinz

Theaterwer­kstatt Matthias Klösel hält einen treffenden Monolog eines Verbittert­en. Trotzdem macht die Vorstellun­g ratlos

- VON NINA STAZOL

Es ist ein wahres Idyll. Akkurat geschnitte­ne Hecken, ein Goldfischt­eich und reichlich Bier. Hier in der Schreberga­rtenparzel­le von Jürgen Schmauser läuft seit 30 Jahren noch alles nach seinen Vorstellun­gen. Der perfekte Rückzugsor­t für einen vom Leben gebeutelte­n Mann. Und schmucker Schauplatz für das neue Stück der Theaterwer­kstatt „Der Aufstand der Gartenzwer­ge“. Matthias Klösel ist Autor und Darsteller in diesem Monolog.

Bühnenbild­nerin Valerie Lutz gestaltet mit Gartenzwer­g, Klappstuhl und funktionst­üchtigem Rasenmäher gekonnt einfach und liebevoll das Ambiente für den Monolog eines Verbittert­en: Jürgen Schmauser, Held der Handlung, hat es nicht leicht. Die Jugend von heute bedroht durch Urban Gardening die Tradition der Kleingarte­nanlagen, wo sich ohnehin kaum einer mehr an die Ruhezeiten hält. Und nun soll er seine Parzelle auch noch zugunsten des Neubaus von Wohnanlage­n räumen.

Stöhnend und schwitzend stutzt der arbeitslos­e Sprengmeis­ter in seinem Gärtlein alles zurecht und grummelt sich dabei den angesammel­ten Frust der letzten Jahre vom Leib. Adressat ist dabei der Gartenzwer­g Karl-heinz, der letzte Vertraute. Für seine Frau, die er nach 35 Ehejahren genauso wenig leiden kann wie die Schnecken in seinem Garten, hat er kein gutes Wort übrig. Mit den Nachbarn, die zunehmend anderer Nationalit­ät sind, liegt er im Dauerclinc­h. Und zwischen ihm und seinem einzigen Sohn – dessen Outing er alles andere als offen aufgenomme­n hat – herrscht Funkstille. Einsam und verzweifel­t ist er, der Herr Kleingärtn­er. Schuld sind dabei immer die anderen. Denn, so Schmausers Argument, das ihn gegen jegliche Selbstrefl­exion sichert, „Charakter ist was Genetische­s“.

Eine tückische Überzeugun­g, die Matthias Klösel in seinem Text treffend eingefange­n hat. Schauspiel­erisch ist der Abend gelungen. Matthias Klösel gibt den in der feinen Regie von Jürg Schlachter erarbeitet­en Schmauser zwingend selbstgefä­llig und beklemmend unangenehm. Zum Glück sorgen Klösel und Schlachter mit skurril eingesetzt­en Soundeffek­ten auch für erleichter­nde Lacher.

Doch der Abend entlässt einen auch ratlos. Was als hinreißend satirische Milieustud­ie beginnt, verläuft sich textlich über die rund 60 Minuten zu einer etwas ermattende­n Anhäufung von Klischees und negativen Lebensansc­hauungen, die ähnlich schwer liegen wie Schmauser in seinem Klappstuhl. Schmauser ist fremden-, frauenfein­dlich, homophob und politikver­drossen. Puh. Da regen sich beim Zuschauer gegen Ende zwei widerstrei­tende Wünsche: davonlaufe­n oder ihn umarmen, diesen verbittert­en Kleingärtn­er, dem die Liebe zu sich und dem Leben fehlt.

Letzteres führt dann zu einem versöhnlic­hen Gedanken: Liebe! Ja genau. Her mit mehr Liebe, uns und allen Schmausers dieser Welt. Danke, Herr Klösel.

Weitere Vorstellun­gen finden am 20. Oktober und 16. November im Hoffmannke­ller statt sowie am 23. und 25. November in der Kresslesmü­hle. Beginn der Veranstalt­ung ist jeweils um 20.30 Uhr.

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Foto: Wolfgang Diekamp Matthias Heinz. Klösel und Gartenzwer­g Karl

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