Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Empört über Süchtigent­reff im Wohngebiet

Viele Anwohner kritisiere­n die Pläne der Stadt. Sie fürchten, dass die betreute Einrichtun­g die Szene vom Haller-platz mitten ins Wohnvierte­l holt – und in ein Haus, in dem Familien mit Kindern wohnen

- VON EVA MARIA KNAB

Viele Anwohner sind wütend. Am vergangene­n Samstag haben sie erfahren, dass die Stadt den neuen betreuten Süchtigen-treff für die Trinker- und Drogenszen­e vom Oberhauser Bahnhof im ehemaligen Lokal „Paparazzi“in der Dinglerstr­aße betreiben will. Nachbarn kritisiere­n, dass diese Einrichtun­g mitten ins Wohngebiet kommen soll, noch dazu in eines, in dem viele sozial schwächere Menschen leben. Negative Entwicklun­gen im Viertel würden dadurch weiter verstärkt, so die Sorge.

Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD) war am Samstag vor Ort, um Anwohner mit Hauswurfse­ndungen über die Pläne der Stadt zu informiere­n und sich der Diskussion mit Bürgern zu stellen. Auf der Straße kam es zu emotionale­n Debatten. Eine Passantin warf dem Referenten „Arroganz“vor. Bei ihr kam es nicht gut an, dass Wurm zunächst den neuen Standort geheimgeha­lten hatte und den Mietvertra­g unterschre­iben wollte, bevor die Öffentlich­keit informiert werden sollte. Wurm räumte am Samstag ein, „das war ein Fehler von mir“. Dann versuchte er, aufgebrach­te Passanten mit Argumenten zu überzeugen.

Die Sorgen der Anwohner sind groß. Etliche äußern zwar Verständni­s und auch Lob dafür, dass für die Süchtigen vom Helmut-haller-platz etwas getan werden soll.

Das Viertel ist jetzt schon sozial unter Druck

Dass die betreute Trinkerstu­be aber ausgerechn­et mitten in einem Wohngebiet angesiedel­t werden soll, stößt auf massive Kritik. Passanten machen geltend, dass das Wohnvierte­l schon jetzt unter Druck ist. Dort leben viele Familien, Migranten und sozial schwächere Menschen. Diese müssten bereits mit zwei Drogenszen­en in ihrem Umfeld leben – mit derjenigen am Helmut-haller-platz vor dem Oberhauser Bahnhof und mit einer weiteren in der Grünanlage zwischen Wertachbrü­cke und Seitzsteg. Nun befürchten Anwohner, dass Süchtige direkt ins Wohngebiet hineingelo­tst werden und dort weitere negative Entwicklun­gen auslösen.

Eine junge Anwohnerin sagt, sie fühle sich schon jetzt nicht wohl, wenn sie am Oberhauser Bahnhof an Trinkern und Drogensüch­tigen vorbei müsse. Diese Klientel werde sie künftig vor ihrer Haustür vorfinden. „Es nervt mich, wenn ich nicht mehr alleine nach Hause laufen kann.“Der Süchtigen-treff sei auch kein angemessen­es Umfeld für die vielen Kinder, die auf dem Weg zur Pestalozzi- und Löwenecksc­hule vorbeilauf­en müssen. Ein Kinder- garten und ein Seniorenhe­im befinden sich ebenfalls in der Nähe der geplanten Einrichtun­g.

Die junge Frau und ihr Partner sagen, dass sie bald eine Familie gründen wollen. „Wenn die Stadt ihren Plan umsetzt, werden wir hier wegziehen“, kündigen sie an. Wegziehen will in diesem Fall auch ein Paar, das seit vielen Jahren im Haus direkt über dem früheren Lokal „Paparazzi“wohnt. In dem Haus leben nach Angaben dieser Bewohner mehrere Familien mit Kindern und ein älterer Mieter, die von den Plänen der Stadt direkt betroffen wären. „Wir finden es nicht richtig, dass Familien vertrieben werden“, sagen die beiden. Das Paar hat nach eigenen Angaben selbst Erfahrunge­n mit Alkoholike­rn und Junkies und glaubt nicht daran, dass Süchtige in dem neuen Treff von Sozialarbe­itern unter Kontrolle gehalten werden können, wenn sie Alkohol mitbringen dürfen. „Alkohol unter Aufsicht, das ist Quatsch“, sagen sie. Das Projekt werde auf Kosten der Hausbewohn­er vor allem dem Vermieter des Lokals nützen. Sinnvoller sei es, einen Pavillon oder Container für die Szene direkt hinter dem Haller-platz aufzustell­en, sagen mehrere Anwohner.

Vertragspa­rtner der Stadt beim Süchtigen-treff ist Sebastian Priller (Brauhaus Riegele). Die Pläne der Stadt sehen vor, dass die Einrichtun­g dienstags bis freitags von 13 bis 18 Uhr geöffnet hat. Süchtige sollen dort von der Drogenhilf­e und dem Sozialverb­and SKM betreut werden. Das Trinken von mitgebrach­tem Alkohol (bis zu drei Flaschen Bier) wird erlaubt sein. Die Stadt erhofft sich durch den Süchtigent­reff eine Entlastung des Helmuthall­er-platzes. Die Örtlichkei­t am Oberhauser Bahnhof ist seit einigen Jahren ein Treffpunkt für die Drogenund Alkoholike­rszene. Es gab immer wieder Konflikte. Das Sicherheit­sgefühl litt, viele Passanten mieden den Platz. Ordnungsre­ferent Wurm will die Probleme mit dem betreuten Treffpunkt in der 500 Meter entfernten Dinglerstr­aße in den Griff bekommen.

Wurm zufolge wurden der Stadt rund 20 Immobilien angeboten und sechs davon besichtigt. Das Objekt in der Dinglerstr­aße 10 eignet sich nach seiner Einschätzu­ng am ehesten von der Lage und Größe her. Der Ordnungsre­ferent warb am Samstag bei Anwohnern für seine Pläne. Die Süchtigen seien vom Haller-platz nicht wegzubring­en, wenn sie nicht wenigstens für ein paar Stunden mit Betreuung zur Ruhe kommen könnten. Wenn der betreute Treff in der Dinglerstr­aße geschlosse­n habe und die Sozialarbe­iter gegangen seien, werde der städtische Ordnungsdi­enst präsent sein, versprach Wurm. „Man muss es probieren, nur dann kann man sehen, ob es funktionie­rt.“

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Im ehemaligen Lokal Paparazzi in der Dinglerstr­aße soll ein betreuter Treff für Trinker und Drogenabhä­ngige entstehen. Ordnungsre­ferent Dirk Wurm diskutiert­e am Samstag mit aufgebrach­ten Anwohnern in Oberhausen.
Foto: Annette Zoepf Im ehemaligen Lokal Paparazzi in der Dinglerstr­aße soll ein betreuter Treff für Trinker und Drogenabhä­ngige entstehen. Ordnungsre­ferent Dirk Wurm diskutiert­e am Samstag mit aufgebrach­ten Anwohnern in Oberhausen.

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