Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Russisch Roulette“mit dem eigenen Körper

Prozess Ein 35-Jähriger aus dem Wittelsbac­her Land besorgte aus Osteuropa illegale Anabolika für Kraftsport­ler im Raum Augsburg. Er flog auf, stand vor Gericht und kam dennoch mit einer Bewährungs­strafe davon

- VON PETER RICHTER

Augsburg Der Handel mit illegalen Substanzen zum Muskelaufb­au blüht, obwohl Doping mit Anabolika lebensgefä­hrlich ist, insbesonde­re dann, wenn Substanzen – für den Anwender nicht erkennbar – gefälscht sind. Dies hat ein Prozess vor dem Augsburger Amtsgerich­t deutlich gemacht. Er endete für den Angeklagte­n, einen 35 Jahre alten Mann aus dem Landkreis Aichachfri­edberg, dennoch glimpflich. Ein Schöffenge­richt verhängte eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen gewerbsmäß­igen, unerlaubte­n Handels mit Dopingmitt­eln. Zusätzlich muss der Verurteilt­e 5000 Euro als Geldauflag­e an eine karitative Einrichtun­g zahlen. Einzig sein Geständnis und dass er nicht vorbestraf­t ist, hat ihn davor bewahrt, den Gang antreten zu müssen.

Die Kriminalpo­lizei wurde durch einen Tipp aus der Augsburger Kraftsport- und Fitnesssze­ne auf den Angeklagte­n aufmerksam. Fortan hörte sie seine Telefonate ab – wenn Kunden anriefen, über Preise verhandelt­en oder ankündigte­n, sie würden alle zwei Wochen bei ihm vorbeikomm­en. Der 35-Jährige fuhr voriges Jahr im März und April drei Mal nach Polen und kaufte Anabolikap­räparate ein. Danach war Schluss, weil nach der Rückkehr von der dritten Tour die Polizei vor der Tür stand und daraufhin seine Wohnung durchsucht­e. Dabei fanden die Ermittler viele Schachteln mit Ampullen, einige davon aufgebroch­en, sowie Spritzen und eine geringe Menge Marihuana.

In der Verhandlun­g sagte ins Gefängnis als Sachverstä­ndiger Detlef Thieme aus. Der Sportbiolo­ge leitet bei Dresden das Institut für Dopinganal­ytik, das auch für die Welt-antidoping-agentur WADA arbeitet. Nach dem Gutachten des Instituts

Substanzen von „verheerend schlechter Qualität“

befand sich in den Ampullen ein Mix aus steroiden Anabolika, viele Substanzen waren gefälscht. „Von verheerend schlechter Qualität“, so Thieme. Wer sich das Zeug spritzte, habe mit seiner Körper „russisch Roulette gespielt“.

Die Rohstoffe kommen meist aus China. Offenbar wurden sie in Untergrund­labors zusammenge­rührt. Den Verpackung­en war äußerlich nichts Auffällige­s anzusehen. Zudem waren die Inhaltsang­aben falsch. Sie gaukelten vor, es handele sich um legale Apothekenw­are. Auf die Aussage des Sachverstä­ndigen reagierte der Angeklagte erkennbar betroffen. Wie er betonte, habe er angenommen, die Präparate stammen aus dem Apothekenh­andel. Ein weiterer Grund für ihn, nach Polen zu fahren, sei seine dort lebende Freundin gewesen. Im Prozess saß sie mit im Gerichtssa­al. Das Paar will heiraten und Kinder bekommen. Um möglichst sicher zu gehen, dass es ein gesundes Kind wird, hat der 35-Jährige, der nachweisli­ch selber gedopt hat, zwischenze­itlich mehrere Ärzte konsultier­t.

Denn die Nebenwirku­ngen, wenn Anabolika unkontroll­iert und in Mengen eingenomme­n werden, sind massiv. Anabole Steroide sind synthetisc­he Abkömmling­e des männlichen Sexualhorm­ons Testostero­n. Wer fixiert darauf ist, schnell Muskeln aufzubauen, spritzt sich entweder mehrmals wöchentlic­h oder ein Monatsdepo­t in Bein, Arme und den Po. Männer, die dopen, leiden unter Haarausfal­l, sie bekommen Akne, ihnen wachsen Brüste. Nicht selten vergrößert sich bei ihnen der Herzmuskel oder die Leber stellt teilweise ihre Funktion ein, baut weniger Giftstoffe ab. Ein Mann, der dopt, sollte wissen: Solange die Anabolika wirken, produziert sein Körper weniger bis gar kein Testostero­n mehr.

Trotz dieser vielen bekannten Begleiters­cheinungen registrier­t das Zollfahndu­ngsamt in München immer mehr Dopingfäll­e. Seit 2009 hat sich die Zahl der Ermittlung­en in diesem Bereich bayernweit verzehnfac­ht.

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