Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Russisch Roulette“mit dem eigenen Körper
Prozess Ein 35-Jähriger aus dem Wittelsbacher Land besorgte aus Osteuropa illegale Anabolika für Kraftsportler im Raum Augsburg. Er flog auf, stand vor Gericht und kam dennoch mit einer Bewährungsstrafe davon
Augsburg Der Handel mit illegalen Substanzen zum Muskelaufbau blüht, obwohl Doping mit Anabolika lebensgefährlich ist, insbesondere dann, wenn Substanzen – für den Anwender nicht erkennbar – gefälscht sind. Dies hat ein Prozess vor dem Augsburger Amtsgericht deutlich gemacht. Er endete für den Angeklagten, einen 35 Jahre alten Mann aus dem Landkreis Aichachfriedberg, dennoch glimpflich. Ein Schöffengericht verhängte eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen gewerbsmäßigen, unerlaubten Handels mit Dopingmitteln. Zusätzlich muss der Verurteilte 5000 Euro als Geldauflage an eine karitative Einrichtung zahlen. Einzig sein Geständnis und dass er nicht vorbestraft ist, hat ihn davor bewahrt, den Gang antreten zu müssen.
Die Kriminalpolizei wurde durch einen Tipp aus der Augsburger Kraftsport- und Fitnessszene auf den Angeklagten aufmerksam. Fortan hörte sie seine Telefonate ab – wenn Kunden anriefen, über Preise verhandelten oder ankündigten, sie würden alle zwei Wochen bei ihm vorbeikommen. Der 35-Jährige fuhr voriges Jahr im März und April drei Mal nach Polen und kaufte Anabolikapräparate ein. Danach war Schluss, weil nach der Rückkehr von der dritten Tour die Polizei vor der Tür stand und daraufhin seine Wohnung durchsuchte. Dabei fanden die Ermittler viele Schachteln mit Ampullen, einige davon aufgebrochen, sowie Spritzen und eine geringe Menge Marihuana.
In der Verhandlung sagte ins Gefängnis als Sachverständiger Detlef Thieme aus. Der Sportbiologe leitet bei Dresden das Institut für Dopinganalytik, das auch für die Welt-antidoping-agentur WADA arbeitet. Nach dem Gutachten des Instituts
Substanzen von „verheerend schlechter Qualität“
befand sich in den Ampullen ein Mix aus steroiden Anabolika, viele Substanzen waren gefälscht. „Von verheerend schlechter Qualität“, so Thieme. Wer sich das Zeug spritzte, habe mit seiner Körper „russisch Roulette gespielt“.
Die Rohstoffe kommen meist aus China. Offenbar wurden sie in Untergrundlabors zusammengerührt. Den Verpackungen war äußerlich nichts Auffälliges anzusehen. Zudem waren die Inhaltsangaben falsch. Sie gaukelten vor, es handele sich um legale Apothekenware. Auf die Aussage des Sachverständigen reagierte der Angeklagte erkennbar betroffen. Wie er betonte, habe er angenommen, die Präparate stammen aus dem Apothekenhandel. Ein weiterer Grund für ihn, nach Polen zu fahren, sei seine dort lebende Freundin gewesen. Im Prozess saß sie mit im Gerichtssaal. Das Paar will heiraten und Kinder bekommen. Um möglichst sicher zu gehen, dass es ein gesundes Kind wird, hat der 35-Jährige, der nachweislich selber gedopt hat, zwischenzeitlich mehrere Ärzte konsultiert.
Denn die Nebenwirkungen, wenn Anabolika unkontrolliert und in Mengen eingenommen werden, sind massiv. Anabole Steroide sind synthetische Abkömmlinge des männlichen Sexualhormons Testosteron. Wer fixiert darauf ist, schnell Muskeln aufzubauen, spritzt sich entweder mehrmals wöchentlich oder ein Monatsdepot in Bein, Arme und den Po. Männer, die dopen, leiden unter Haarausfall, sie bekommen Akne, ihnen wachsen Brüste. Nicht selten vergrößert sich bei ihnen der Herzmuskel oder die Leber stellt teilweise ihre Funktion ein, baut weniger Giftstoffe ab. Ein Mann, der dopt, sollte wissen: Solange die Anabolika wirken, produziert sein Körper weniger bis gar kein Testosteron mehr.
Trotz dieser vielen bekannten Begleiterscheinungen registriert das Zollfahndungsamt in München immer mehr Dopingfälle. Seit 2009 hat sich die Zahl der Ermittlungen in diesem Bereich bayernweit verzehnfacht.