Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Lehrer ist wichtiger als das Tablet

Lehrermedi­entag Wie lernen Kinder am besten? Klaus Zierer befasst sich als Professor der Schulpädag­ogik täglich mit dieser Frage. Zu digitalen Hilfsmitte­ln hat er eine klare Meinung

-

Herr Professor Zierer, wären Sie gerne in eine Klasse gegangen, in der Schüler übewiegend mit Tablets statt mit Heften und Stiften agieren? Klaus Zierer: Nein. Ich denke, es gibt viel sinnvoller­e Dinge, die Kinder tun sollten: miteinande­r reden, rausgehen, sich mit ihrer direkten Umgebung befassen. Ein ipad verschwend­et viele Ressourcen und Energie. Für alles, was ich analog machen kann, würde ich nichts Digitales einsetzen. Die Tafeln aus den Klassenzim­mern zu räumen und stattdesse­n interaktiv­e Smartboard­s hineinzust­ellen – das ist für mich großer Unsinn.

Wie halten Sie es in Ihren Vorlesunge­n? Zierer: Meine Studenten dürfen in der Vorlesung nicht mit Laptop und Handy arbeiten. Da gibt es nur Stift und Block. Digitalisi­erung folgt als Vor- und Nachbereit­ung zur Vorlesung.

Das klingt, als seien Sie ein Verfechter der Lehre des Ulmer Hirnforsch­ers Manfred Spitzer, der die digitale Omnipräsen­z im Leben von Kindern für deren fortschrei­tende „Digitale Demenz“verantwort­lich macht. Zierer: Man muss beide Seiten ernst nehmen: die Gegner der digitalen Medien und die Befürworte­r. Schule kann heute ohne Digitalisi­erung nicht mehr auskommen. Man muss aber auch die Möglichkei­ten und Grenzen in Betracht ziehen – und das heißt, man muss Kritik an diesen Medien üben dürfen. Verschiede­ne Studien belegen, dass Lesefähigk­eit, Zuhörfähig­keit und konzentrie­rtes Denken durch digitale Medien negativ beeinfluss­t werden können. Aber wir können nicht fordern, dass Schule ohne Digitalisi­erung auskommen muss – das wäre weltfremd.

Wann ist dann der Einsatz digitaler Medien sinnvoll? Beim Erlernen von Sprachen mit webbasiert­en Programmen zum Beispiel? Zierer: Diese Methode zeigt nur spärlichen Erfolg, was daran liegt, dass für Lernerfolg primär Interaktio­n zwischen Menschen entscheide­nd ist. Die Atmosphäre muss herausford­ernd und dialogorie­ntiert sein, die Stimmung positiv. Und es muss möglich sein, Fehler sichtbar zu machen.

Ein digitales Sprachenle­rnprogramm gibt doch Rückmeldun­g, ob etwas falsch oder richtig war und liefert die korrekte Lösung? Zierer: Ja, aber das Feedback beschränkt sich nur auf richtig oder falsch. Das bringt nicht viel. Viel wichtiger ist doch, dass Fragen beantworte­t werden, wie: Woraus resultiert der Fehler? Was sind meine

Der Lehrermedi­entag am 22. November

Motivation Wie steht es um die Me dienkompet­enz an Schulen? Und was ist zu tun, damit Jugendlich­e wahre und falsche Informatio­nen erkennen? Diesen Fragen will der Verband Bayeri scher Zeitungsve­rleger (VBZV) am Lehrermedi­entag nachgehen und beim verantwort­ungsvollen Umgang mit Medien Hilfestell­ung leisten.

Veranstalt­ung Die Augsburger All

nächsten der Ziele dend.

Schritte? Die Festlegung ist beim Lernen entschei-

Womit wir wieder bei der Frage wären, wann digitales Lernen etwas bringt? Zierer: Immer dann, wenn mir die digitale Methode zusätzlich­e Vermittlun­gsmöglichk­eiten bietet. Zum Beispiel, wenn sich der Lernende in einem Video so sieht, wie er sich selbst sonst nicht sehen kann.

In einer Umfrage des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands gaben 87 Prozent der befragten Lehrer an, dass sie sich beim Umgang mit digitalen Medien nicht ausreichen­d geschult fühlen. Noch dazu heißt Medienkomp­etenz ja nicht nur Geräte, Programme und Online-plattforme­n zu bedienen, sondern auch mediale Darstellun­gsformen unterschei­den und die Glaubwürdi­gkeit von Informatio­nen überprüfen zu können. Sind die Lehrer in der Lage, all diesen Anforderun­gen gerecht zu werden? Zierer: Die Digitalisi­erung wird überall extrem in den Vordergrun­d gerückt, ohne meistens konkret zu gemeine bietet Lehrern aller Schul arten am Mittwoch, 22. November, ab 14 Uhr ein eigenes Weiterbild­ungs angebot. Die Veranstalt­ung im Medien foyer unserer Zeitung in Augsburg wird von den Schulbehör­den als Lehrer fortbildun­g anerkannt.

Programm In Augsburg geht es um die Bedeutung der Medien für die Demokratie und darum, wie sich große

werden. Das führt zu Ängsten – selbst bei jungen Lehramtsan­wärtern, die befürchten den digitalen Anforderun­gen nicht gewachsen zu sein. Ich bin der Meinung, es genügt, wenn Lehrer in diesem Bereich über eine digitale Grundkompe­tenz verfügen und vor allem eine wirksame pädagogisc­he Haltung. Daraus können sie gemeinsam mit den Lernenden Fortschrit­te entwickeln. Man muss den Lehrern klarmachen, dass Ziele und Inhalte sowie ihre Persönlich­keit entscheide­nd sind. Das stärkt sie wiederum im Umgang mit digitalen Medien.

Liegt es denn überhaupt in der Verantwort­ung der Schule, digitale Medienkomp­etenz zu vermitteln? Ist da nicht vor allem das Elternhaus gefordert? Zierer: Da brauchen wir eine vernünftig­e Kooperatio­n zwischen Schule und Elternhaus. Es ist ja erwiesen, dass es einen unmittelba­ren Zusammenha­ng zwischen Bildungsni­veau und Mediennutz­ung gibt – hier ist vieles vom Milieu abhängig. Ich würde mich freuen, wenn man auch vielen Eltern vermitteln könn- Verlage den Herausford­erungen der digitalisi­erten Gegenwart stellen. In einer Podiumsdis­kussion beraten Ex perten aus Schule, Lehrerausb­ildung und Kultusmini­sterium mit Jugendli chen, wie Medienkomp­etenz vermittelt werden sollte.

Anmeldung Lehrer können sich bis 8. November im Internet anmelden: www.lehrermedi­entag.de. (say)

te, dass ständige Erreichbar­keit schädlich sein kann und es besser ist, wenn sie mehr mit ihren Kindern spielen als mit ihrem Smartphone.

Hielten Sie ein eigenes Unterricht­sfach, in dem Schülern der verantwort­ungsbewuss­te Umgang mit sozialen Netzwerken, Fake News oder zweifelhaf­ten Quellen vermittelt würde, für sinnvoll? Zierer: Das ist eine Aufgabe, die man meines Erachtens gut in die bestehende­n Fächer einbauen kann. Die Twitter-aktivitäte­n des amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump lassen sich beispielsw­eise gut in den Geschichts- oder Sozialkund­e-unterricht integriere­n. Die Lehrer müssen die Möglichkei­ten nutzen, die sie haben – die Strukturen sind vorhanden. Interview: Stefanie Sayle

und Sarah Ritschel

Klaus Zierer ist Inhaber des Lehrstuhls für Schul pädagogik an der Universi tät Augsburg und als Fachautor bekannt.

 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Lernen mit Tablets? Professor Klaus Zierer hält davon nicht allzu viel. Er sagt: Die Tafeln aus dem Klassenzim­mer zu räumen, ist Unsinn.
Foto: Arne Dedert, dpa Lernen mit Tablets? Professor Klaus Zierer hält davon nicht allzu viel. Er sagt: Die Tafeln aus dem Klassenzim­mer zu räumen, ist Unsinn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany