Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ihr Gebell verhallte im All

Jubiläum Vor 60 Jahren flog das erste irdische Lebewesen in den Weltraum. Es war Laika, ein russischer Straßenhun­d. Dass die Mission schiefging, wurde erst Jahrzehnte später bekannt

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Moskau „Ich habe sie um Verzeihung gebeten, sie ein letztes Mal gestreiche­lt und dabei geweint“, erinnert sich Adilja Kotowskaja. Die russische Biologin wusste genau, dass sie Laika nicht mehr lebend wiedersehe­n würde. Doch bis heute ist die 90-Jährige stolz darauf, die Hündin auf ihre für die Sowjetunio­n damals so wichtige Mission vorbereite­t zu haben: Vor 60 Jahren, am 3. November 1957, reiste Laika als erstes irdisches Lebewesen in einer Raumkapsel ins All – und ebnete damit den Weg für die bemannte Raumfahrt.

Am 4. Oktober 1957 hatte die Sowjetunio­n den weltweit ersten künstliche­n Satelliten Sputnik in die Umlaufbahn der Erde gesandt. Nun ging Moskau einen Schritt weiter: Sputnik 2 sollte das erste Lebewesen in eine Erdumlaufb­ahn bringen – Laika. Rechtzeiti­g zum 40. Jahrestag der Oktoberrev­olution wollte die Sowjetunio­n ihre technologi­sche Überlegenh­eit gegenüber den USA demonstrie­ren und zugleich herausfind­en, ob ein Lebewesen im Weltraum überleben kann.

Hundefänge­r hatten Laika, was auf Russisch „Kläffer“bedeutet, auf Moskaus Straßen aufgelesen. Die gerade mal sechs Kilogramm schwere Streunerin entsprach genau den Anforderun­gen des Raumfahrtp­rogramms: Sie war genügsam, gelehrig, gefügig – und mit ihrem wachen Blick ausgesproc­hen fotogen. Zudem überstand sie am besten das harte Trainingsp­rogramm, das Kotowskaja allen Anwärtern der Mission unterwarf: Unter anderem wurden sie in immer kleinere Käfige gesteckt, um sich an die Reise in der nur 80 Zentimeter großen Kapsel zu gewöhnen. Vier Tage vor den Revolution­sfeiern dann startete Laika ihre Reise ohne Wiederkehr – gefangen in der druckdicht­en Raumkapsel, gekleidet in einen Weltrauman­zug mit feinen Sensoren, die Herzschlag, Blutdruck und Atem kontrollie­rten, ständig beobachtet von einer Kamera. Zu Tode erschrocke­n vom Getöse und der Vibration der Triebwerke, begann das Herz des kleinen Hundes dreimal schneller als normalerwe­ise zu rasen. Laika beruhigte sich erst ein wenig, als die Raumkapsel die Erdumlaufb­ahn erreicht hatte. Doch nach der neunten Erdumrundu­ng stieg plötzlich die Temperatur in- nerhalb der Raumkapsel von 15 Grad Celsius auf 41 Grad, weil sie nur ungenügend vor der Sonneneins­trahlung geschützt war. Der Schock, die Hitze und die Erschöpfun­g waren zu viel für Laika – fünf Stunden nach dem Start gab sie kein Lebenszeic­hen mehr von sich. Der sowjetisch­e Rundfunk informiert­e dennoch weiter täglich über Laikas Befinden, als wäre sie noch am Leben. Ihr Hightech-sarg kreiste noch monatelang, bis zum 14. August 1958, im All. Dann verglühte er beim Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre.

Über Jahrzehnte hielt sich die offizielle Version von Laikas Schicksal, derzufolge sie ihre Mission wie geplant nach über einer Woche beendete und friedlich nach einem mit starkem Gift versetzten letzten Mahl starb. Die Wahrheit erzählte ein an der Mission beteiligte­r russischer Wissenscha­ftler erst 2002 bei einer Konferenz in den USA. Trotz der Probleme gewannen sowjetisch­e Forscher genug Erkenntnis­se, um weitere Hunde ins All zu schicken und sie heil zurückzuho­len. Dies ebnete den Weg für bemannte Missionen.

 ?? Foto: UPI, dpa ?? Die zweijährig­e Hündin Laika musste viele Tests in der Druckkabin­e über sich ergehen lassen. Für den Flug ins All bekam sie einen Weltrauman­zug mit feinen Sensoren. RECHTSCHRE­IBSCHWÄCHE
Foto: UPI, dpa Die zweijährig­e Hündin Laika musste viele Tests in der Druckkabin­e über sich ergehen lassen. Für den Flug ins All bekam sie einen Weltrauman­zug mit feinen Sensoren. RECHTSCHRE­IBSCHWÄCHE

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