Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So wird der Video-beweis kaputt gemacht

- Time@augsburger allgemeine.de

DVON TILMANN MEHL ie Verantwort­lichen stellen sich dilettanti­sch an. Neuerungen lassen sich immer nur mit der größtmögli­chen Transparen­z einführen. Was die Schiedsric­hter-bosse aber machen, nährt den Verdacht geheimbünd­lerischer Tendenzen. Der Videobewei­s sollte den Fußball ein Stück weit gerechter machen. Ein gleichsam honoriger wie auch schwierige­r Ansatz. Von Beginn an war klar, dass es schwer sein würde, Traditiona­listen von den Vorteilen zu überzeugen. Auch deshalb zogen Hellmut Krug und Co. den Rahmen sehr eng.

Krug ist hauptveran­twortlich für die derzeitige Umsetzung. Er arbeitete mit den Unparteiis­chen ein Jahr lang am Einsatz des VideoAssis­tenten. Vor der Saison wurden Vereine und Journalist­en informiert, wann eingegriff­en wird. Lediglich in vier Fällen darf der in Köln sitzende Assistent intervenie­ren: bei Toren, Elfmetern, Roten Karten oder Spielerver­wechslunge­n. Und dann auch nur bei klaren Fehlentsch­eidungen.

Der Akzeptanz war es nicht zuträglich, dass die Technik an den ersten Spieltagen ab und an streikte. Mal konnte der Unparteiis­che den Assistente­n nicht hören, dann funktionie­rten die Abseitslin­ien nicht. Kinderkran­kheiten.

Nun haben sich die Verantwort­lichen einen großen Fehler erlaubt. Sie haben eine Veränderun­g am Video-beweis vorgenomme­n, ohne die Fans darüber zu informiere­n. Anstatt nur noch bei klaren Fehlentsch­eidungen das Urteil zu revidieren, laufen die Schiedsric­hter auch bei vielen vertretbar­en Entscheidu­ngen an die Außenlinie, um sich zu vergewisse­rn. Das geschieht auf Anweisung der TopFunktio­näre Lutz Michael Fröhlich und Hellmut Krug. Sie wiesen die Bundesligi­sten Ende Oktober in einem Brief darauf hin, dass die Assistente­n die Referees nun schon alarmieren sollten, wenn „starke Zweifel an der Berechtigu­ng der Schiedsric­hterentsch­eidung“vorlägen. Das führte dazu, dass die Unparteiis­chen nun beinahe jede kritische Situation nochmals am Bildschirm betrachten. So aber verändert der Video-beweis tatsächlic­h den Charakter des Spiels. Es zieht sich in die Länge. Die Zuschauer werden nicht darauf hingewiese­n, welche Situation aus welchen Gründen überprüft wird. Die Schiedsric­hter verlieren den Glauben in die eigenen Entscheidu­ngen. Sie revidieren sie, obwohl sie richtig waren. So verlieren die Unparteiis­chen und der Video-beweis Akzeptanz.

Der Ansatz, ausschließ­lich bei klaren Fehlentsch­eidungen einzugreif­en, war der richtige. Auch dann wird die Neuerung aber nur angenommen, wenn den Zuschauern eindeutig mitgeteilt wird, weshalb eingegriff­en wird. Im Verborgene­n einen neuen Erlass zu verfassen, war die schlechtmö­glichste Entscheidu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Germany