Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Diese Frau spürt Müllsünder auf

Umwelt Miriam Hein-horn kontrollie­rt in der Stadt abgestellt­en Sperrmüll. Wenn der nicht angemeldet wurde, versteht die 38-Jährige keinen Spaß. Dann versucht die Kontrolleu­rin, den Verursache­r herauszufi­nden

- VON INA KRESSE

Alte Sofas, zerschliss­ene Matratzen, lose Holzlatten – wenn Miriam Hein-horn an Augsburgs Straßen Müll entdeckt, zückt sie sofort ihr Handy. Dann erkundigt sich die Frau mit den kurzen Haaren bei den Kollegen, ob hier Sperrmüll angemeldet wurde. Wenn nicht, kann sich der Verursache­r auf etwas gefasst machen. Falls er gefunden wird. Und Hein-horn findet viele Müllsünder. Die Sachbearbe­iterin des Abfallwirt­schafts- und Stadtreini­gungsbetri­ebes der Stadt Augsburg, kurz AWS, wird von ihrem Chef nicht zu Unrecht „Müllsherif­f“genannt.

Wenn die 38-jährige ehemalige Bundeswehr­soldatin auf ihre Tour im orangefarb­enen Auto der AWS durch Augsburg startet, sind zwei Dinge immer dabei: die Arbeitshan­dschuhe und der Plan, wohin die Tour geht. Auf ihm stehen nahezu täglich neue „Brennpunkt­e“. „Entweder rufen verärgerte Anwohner im Kundenserv­ice an, oder sie mailen ihre Beschwerde­n. Manchmal kommt auch das Umweltamt auf uns zu, wenn der Müll nicht in deren Zuständigk­eitsgebiet liegt“, erklärt Hein-horn die Zusammenst­ellung einer Kontrollfa­hrt.

Heute wird die Müllkontro­lleurin ausnahmswe­ise von Azubi Ludwig Heckl chauffiert. Sie hat es nämlich gerade in der Schulter. Der 27-Jährige steuert das Auto am frühen Morgen zu einer Adresse in einem Wohngebiet in Lechhausen. HeinHorn wirft auf dem Beifahrers­itz einen Blick in die Unterlagen. „In dem Fall hat uns ein Hausmeiste­r informiert, dass auf einem Grünstreif­en elf Säcke voller Laub herumstehe­n. Er nannte uns auch die Hausnummer, in dem die Verantwort­lichen wohnen sollen.“Ein Termin für Grünabfall sei nicht angemeldet worden. Das hat die AWSMitarbe­iterin natürlich längst überprüft. Die prall gefüllten großen Müllsäcke sind schon von Weitem zu sehen. Heckl parkt das Auto. „Ich klingel da jetzt“, sagt HeinHorn forsch und geht zur Haustür.

Durch das Küchenfens­ter sieht man den Fernseher im Wohnzimmer laufen. Eine Frau öffnet. In der Hand hält sie einen Putzlappen. Hein-horn stellt sich vor. Sie fragt,

„Originelle Ausreden nützen nichts“

ob die Müllsäcke an der Straße ihnen gehören. Die Frau nickt. Ihr Mann habe sie dort hingestell­t. „Er wollte sich ein Fahrzeug besorgen und die Säcke am Wochenende wegbringen.“Die Grünfläche sei öffentlich­er Grund. Da dürfen sie nicht stehen, weist Hein-horn die Frau darauf hin und bittet sie, den Abfall dort bis morgen wegzuräume­n. „Sie können die Säcke ja auf ihr Grundstück stellen.“Sie gibt ihr noch einen Tipp: „Es gibt bei uns Grüngutter­mine. Sie können gerne bei uns anrufen, und wir nehmen den Abfall kostenlos mit.“Die Frau nickt.

Zurück im Auto sagt Hein-horn, dass sie das morgen nachprüfen werde. Auch das gehört zum Job. Schließlic­h weiß sie, dass manche den Müll trotzdem liegen lassen. Dann gibt es ein Bußgeld. Hein- Horn ist ein fröhlicher und humorvolle­r Mensch. Und – sehr bestimmend. Sie legt Wert darauf, freundlich zu sein. Doch wenn man der Frau, die zwölf Jahre lang bei der Bundeswehr gearbeitet hat und im Kosovo-einsatz war, unhöflich begegnet, diskutiert sie nicht lange. „Ich kann auch gleich ein Bußgeldver­fahren einleiten.“

Hein-horn nimmt ihre Arbeit sehr ernst. „Weil es einfach nicht geht, dass Menschen ihren Müll kreuz und quer irgendwo abstellen.“Sie mag ihren Job. „Ich bin viel draußen, kann Müllsünder­n auf die Schliche kommen und Fälle aufdecken“, sagt sie und lacht. Umsonst wird sie wohl nicht Müllsherif­f genannt. Die Frau von der AWS hat fast schon ein detektivis­ches Gespür. Das zeigt sich bei der nächsten Station in einer Straße in Oberhausen. Das Chaos auf dem Fußweg ist beträchtli­ch.

Ein großer Sperrmüllh­aufen versperrt fast den ganzen Weg. Alte Matratzen, ein Ledersesse­l, Altkleider, eine Couch, Schubladen, Bretter und ein Staubsauge­r liegen dort über- und nebeneinan­der. HeinHorn telefonier­t mit den Kollegen und erhält die Bestätigun­g dessen, was sie vermutet hat: „Bei uns wurde keine Abholung gebucht. Das war klar. Ich täusche mich selten. Das hier ist wilder Müll.“Sie streift sich die dicken Arbeitshan­dschuhe über und wühlt in dem Haufen, der mal in das Leben eines Menschen gehörte. „Ich habe was“, ruft sie plötzlich und hält triumphier­end einen Briefumsch­lag in die Höhe. Darauf steht eine weibliche Anschrift. „Die Frau bekommt von uns als Nächstes einen Anhörungsb­ogen zugeschick­t und hat eine Woche Zeit, sich dazu zu äußern.“Um ein Bußgeld werde sie aber nicht herum kommen. Briefumsch­läge oder Verpackung­en mit Adressen seien der Klassiker, wie sich Müllsünder verraten. Dann nützen auch die originells­ten Ausreden nichts. „Einer sagte mal, das muss seine geschieden­e Frau da hingeworfe­n haben,“erzählt die Kontrolleu­rin lachend.

In diesem Fall jetzt vermutet Hein-horn die Strafe bei etwa 250 Euro. Zudem müsse die Frau die Entsorgung zahlen. „Die Leute sind selber schuld.“Selten würden Menschen gegen ein Bußgeld klagen. „Aber sobald die Sache vor Gericht kommt, wird die Klage zurückgezo­gen.“Das Auto der AWS fährt weiter durch die Stadt. Hein-horn hat viel zu berichten. Etwa, dass vor al- lem in den drei Stadtteile­n Lechhausen, Oberhausen und Univiertel oft wilder Müll abgeladen wird. „70 Prozent der Menschen, die so etwas machen, sind nicht Deutsche“, schätzt Hein-horn. „Weil sie es vielleicht auch nicht besser wissen. Da seien auch Hausverwal­ter gefragt, mit Aushängen in den Eingängen darauf hinzuweise­n. Im Univiertel etwa, wo das Problem überhandna­hm, wurden vor einiger Zeit grüne Schilder an Kreisverke­hren und Grünstreif­en aufgestell­t. „Müll abladen verboten!“, steht in großen Buchstaben darauf. Seitdem sei die Situation besser geworden.

„Aber es gibt immer noch ausreichen­d zu tun“, sagt sie und steigt bei der nächsten „Müll-haltestell­e“aus, die der letzten sehr ähnlich sieht: Wieder ein altes Sofa, Schaumstof­ffüllungen und viele lose Blätter. Hier dauert die Spurensuch­e etwas länger. Doch dann stoßen Hein-horn und ihr junger Kollege auf eine Schulaufga­be mit einem Namen. Na also. Geht doch. „Wir haben heute schon zwei Verursache­r gefunden. Das ist doch super“, sagt Hein-horn. Ein Müllsherif­f darf sich schließlic­h über aufgedeckt­e Fälle freuen.

Sperrmüll wird in Augsburg kos tenlos durch die AWS abgeholt. Bis zu zehn Mal im Jahr kann er von jedem Augs burger beantragt werden. Hein horn rät, Termine mit einer Vorlaufzei­t von vier bis sechs Wochen zu vereinbare­n, weil diese stark nachgefrag­t sind. Kundencen ter nummer: 0821/324 4884 oder: kundenserv­ice.aws@augsburg.de. Termi ne können online unter: www.abfallrat geber.augsburg.de beantragt werden.

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Foto: Ina Kresse Ein Fall von „wildem Müll“in Oberhau sen.

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