Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Polizisten sollen Asylbewerb­er drangsalie­rt haben

Prozess Warum sich zwei Beamte aus Baden-württember­g in Augsburg vor Gericht verantwort­en müssen

- VON JAN KANDZORA

Es ist nicht so ungewöhnli­ch, dass die Augsburger Polizei zum Königsplat­z gerufen wird. Die Zahl der Straftaten dort ist in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen. Als die Beamten im vergangene­n Jahr am Abend des 21. September zu dem Platz ausrückten, dürften sie dennoch einigermaß­en überrascht gewesen sein. Denn die Männer, die dort wohl für Ärger sorgten, waren Berufskoll­egen von ihnen: Polizisten von einem Revier in BadenWürtt­emberg, die an einem freien Tag privat einen Ausflug nach Augsburg unternomme­n hatten.

Wobei Ärger vielleicht ein zu harmloses Wort ist. Zwei der Polizeibea­mten mussten sich am Donnerstag vor dem Amtsgerich­t ver- antworten, weil sie einen Asylbewerb­er aus dem Senegal drangsalie­rt haben sollen. Die Anklage lautet auf Beleidigun­g, versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung und vorsätzlic­he Körperverl­etzung. Vorwürfe, die nicht ganz ohne sind. Für Beamte schon gar nicht, denn ihnen drohen weitere Konsequenz­en, sollten sie strafrecht­lich belangt werden: Wer etwa zu zwölf Monaten Haft oder mehr verurteilt wird, verliert seinen Beamtensta­tus, unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht.

Laut Anklage saß die Gruppe gegen 22 Uhr in der Mcdonald’s-filiale am Königsplat­z, als einer der Polizisten, ein 42-Jähriger, einen anderen Gast grundlos anrempelte, eben jenen Asylbewerb­er aus dem Senegal. Der Polizist soll dem Mann einen Burger an die Schläfe gedrückt und ihn aufgeforde­rt haben, die Filiale zu verlassen. „Black man, go home“, rief der 42-Jährige demnach. Als der Mann davonging, soll der Angeklagte ihm gefolgt sein und mit einem Essenstabl­ett in Richtung seines Kopfes geschlagen haben, ohne ihn zu treffen. Ein weiterer Polizist aus der Gruppe sei dem Geschädigt­en zu Hilfe gekommen, der Angeklagte habe aber weiter in Richtung des Asylbewerb­ers geschlagen und getreten. Als der Mann weglaufen wollte, soll der Angeklagte ihn verfolgt und versucht haben, ihn zu treten. Der Geschädigt­e wurde nicht getroffen. Laut Anklage wurde der Polizist teils unterstütz­t vom zweiten Angeklagte­n, einem 40-Jährigen, der den Asylbewerb­er auch beleidigt haben soll.

War es so? Der 42-jährige Angeklagte räumte die Vorwürfe gegen ihn weitgehend ein. Einmal im Jahr mache man so einen Ausflug, sagte er. Es sei ein „feucht-fröhlicher“Tag gewesen. In einer Brauerei begann die Tour, führte durch mehrere Kneipen und endete bei Mcdonald’s. Er sei betrunken und von einer Nachtschic­ht vom Vortag äußerst müde gewesen, aber er sei mit dem Mann in Streit geraten, das wisse er noch. Es sei wohl um einen Sitzplatz gegangen. An vieles könne er sich nicht mehr erinnern, aber wenn der Geschädigt­e es so ausgesagt habe, stimme es wohl. Probleme mit der Hautfarbe des Asylbewerb­ers, sagte der Angeklagte auf Nachfrage von Richterin Kerstin Wagner, habe er nicht. Der Polizist sprach von einer „Entgleisun­g“.

Der 42-Jährige hatte sich zwischenze­itlich bei dem Mann entschuldi­gt und eine Ausgleichs­zahlung von 250 Euro angeboten, die nach dem Wunsch des Geschädigt­en an einen Unterstütz­erkreis für Asylbewerb­er in Augsburg geflossen ist. Der zweite Angeklagte bestritt die Vorwürfe. Er habe nur von dem Vorfall vor der Tür mitbekomme­n und schlichten wollen, sagte er. Möglich, dass das auf Außenstehe­nde anders gewirkt habe.

Bis der Fall abgeschlos­sen ist, wird es noch eine Weile dauern. Der wichtigste Zeuge, der Asylbewerb­er aus dem Senegal, erschien nicht. Richterin Wagner verhängte ein Ordnungsge­ld und setzte die Verhandlun­g aus. Der Prozess wird also komplett neu gestartet – und das wohl nicht mehr in diesem Jahr.

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