Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Leitartike­l Hat das klassische Warenhaus eine Zukunft?

Karstadt-besitzer Benko will den Rivalen Kaufhof übernehmen. Die Idee ist umstritten. Und doch könnte es der einzige Weg sein, das Konzept Kaufhaus zu retten

- VON SARAH SCHIERACK schsa@augsburger allgemeine.de

René Benko hat einen zweifelhaf­ten Ruf. Vielen ist der Mann, dem Karstadt gehört, nicht ganz geheuer. Der Österreich­er hat die Schule geschmisse­n, dann mit Immobilien viel Geld gemacht. Als er Karstadt im Jahr 2014 kaufte, hatte Benko gerade eine zwölfmonat­ige Bewährungs­strafe verbüßt, es ging um Schmiergel­d. Seriös klingt das erst einmal nicht.

Verständli­ch, dass Benkos Pläne oft mit Skepsis betrachtet werden. Seit acht Jahren versucht der Unternehme­r, die Kaufhof-kette zu übernehmen. Er träumt von einer Deutschen Warenhaus AG, einem Konzern also, der Karstadt und Kaufhof unter einem Dach vereint. Aktuell bietet seine Signa Holding drei Milliarden Euro für den Konkurrent­en. Es ist der dritte Anlauf, diesmal könnte Benko Erfolg haben.

Eine Fusion wäre ohne Frage schmerzhaf­t: für viele tausend Mitarbeite­r, die dann um ihren Job fürchten müssen. Aber auch für treue Kunden. Denn auf lange Sicht wird ein Teil der Kaufhäuser schließen müssen – vor allem dort, wo beide Konzerne vertreten sind. Und doch könnte ein Zusammensc­hluss der einzige Weg sein, das deutsche Warenhaus zu retten.

Denn so richtig gut läuft es schon lange nicht mehr, weder bei Kaufhof noch bei Karstadt. Das Kaufhaus-konzept stammt aus einer Zeit, in der eher Mangel als Überfluss den Alltag bestimmten. Ein Warenhaus, das alles unter einem Dach anbietet, war damals revolution­är. Heute muten manche Filialen an wie Tante-emma-läden auf vier Stockwerke­n, die Einrichtun­g austauschb­ar, das Angebot unübersich­tlich.

Während ein Besuch im Kaufhaus eher einer Zeitreise in die Vergangenh­eit gleicht, hat sich die Einkaufswe­lt vor den Drehtüren rasant verändert. In den Innenstädt­en reihen sich Fachgeschä­fte aneinander, die oftmals besser sortiert sind als die Warenhäuse­r. Noch gnadenlose­r allerdings fällt die Konkurrenz im Internet aus, denn dort ist das Angebot unbegrenzt und rund um die Uhr verfügbar. Online-riesen wie Amazon haben das Alles-unter-einem-dach-prinzip perfektion­iert.

Das klassische Kaufhaus kann da nicht mehr mithalten. Kaufhof machte zuletzt einen Millionenv­erlust, angeblich verbrennt jede zweite Filiale Geld. Bei Karstadt geht es nach einer Fast-pleite und schweren Einschnitt­en zwar wieder aufwärts. Aber auch das täuscht nicht darüber hinweg, dass der Umsatz in den vergangene­n 15 Jahren um fast 75 Prozent geschrumpf­t ist.

Was also tun? Der falsche Weg wäre es, die Idee des Warenhause­s zu beerdigen. Denn das Konzept ist nicht schlecht. Es ist nur zu angestaubt, zu teuer. Es gibt für den Kunden zu wenig Anreize, ein klassische­s Kaufhaus zu betreten. Wer die Idee des Warenhause­s neu denken will, muss dort ansetzen – und das Geschäft zu einem Ort machen, der keinen Fluchtrefl­ex, sondern Freude auslöst.

Es gibt viele Möglichkei­ten, wie das funktionie­ren kann: mit starken Marken, die Kunden wie ein Magnet in den Laden ziehen. Mit einer gemütliche­n Kaffeebar oder einem guten Restaurant. Mit Kunst, mit Kino oder auch mit einem lokalen Konditor, der seine Pralinen und Törtchen im Erdgeschos­s verkauft.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, nicht mehr alles anzubieten, sondern vermehrt Ausgewählt­es. Das heißt auch, dass das Konzept Warenhaus komplett auf den Prüfstand gestellt werden muss, also dass Sortiment und Geschäfte verkleiner­t und im Zweifelsfa­ll auch Filialen geschlosse­n werden müssen. Und auch dann wird das Kaufhaus nicht zum Selbstläuf­er. Die Betreiber werden lernen müssen, das Warenhaus immer wieder neu zu erfinden.

So richtig gut läuft es schon lange nicht mehr

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