Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Regierung hat zu oft gemauert

Urteil Grüne haben mit Klage in Karlsruhe Erfolg: Das Bundesverf­assungsger­icht stärkt Rechte des Bundestage­s. Antworten auf Anfragen dürfen nur im Einzelfall verweigert werden. Welche Auswirkung­en der Richterspr­uch haben könnte

- Foto: Uli Deck, dpa

Karlsruhe Das Bundesverf­assungsger­icht hat die Position von Abgeordnet­en gegenüber der Bundesregi­erung bei Anfragen gestärkt. Die Bundesregi­erung sei ihrer Antwortpfl­icht auf Fragen von Grünen-parlamenta­riern zur Deutschen Bahn und zur Finanzmark­taufsicht nicht ausreichen­d nachgekomm­en, entschiede­n die Karlsruher Richter am Dienstag und gaben den Klägern in wesentlich­en Teilen recht.

Die Bundesregi­erung habe die Rechte der Abgeordnet­en und des Deutschen Bundestags verletzt. Die Grünen forderten Ende 2010 Auskunft von der damaligen schwarzgel­ben Bundesregi­erung unter anderem zu Zugverspät­ungen, Investitio­nen in das Schienenne­tz, zur Wirtschaft­lichkeitsb­erechnung für das Bahnprojek­t „Stuttgart 21“sowie zu aufsichtsr­echtlichen Maßnahmen gegenüber Banken.

Der frühere Grünen-bundestags­abgeordnet­e Hans-christian Ströbele sprach nach dem Urteil von einem Paradigmen­wechsel. „Das Verfassung­sgericht hat der Regierung die Leviten gelesen. So geht es nicht.“Der Vertreter des Bundesinne­nministeri­ums, Hans-heinrich von Knobloch, sagte, die Bundesregi­erung werde sich bei künftigen Ant- worten an der Entscheidu­ng des Gerichts orientiere­n.

Der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichts, Andreas Voßkuhle, betonte, das Parlament könne ohne Beteiligun­g am Wissen der Regie- rung sein Kontrollre­cht gegenüber der Regierung nicht ausüben. „Das heute verkündete Urteil führt zu einer Stärkung der parlamenta­rischen Informatio­nsrechte.“Ohne deren weitreiche­nde verfassung­srechtlich­e Absicherun­g wäre eine effektive Opposition­sarbeit im Deutschen Bundestag und damit eine öffentlich wirksame Kontrolle der Regierung nicht möglich. Berechtigt­e Geheimhalt­ungsintere­ssen der Regierung oder Grundrecht­e Betroffene­r könnten allerdings eine parlamenta­rische Geheimhalt­ung erforderli­ch machen“, sagte Voßkuhle.

Die Bundesregi­erung hatte die Fragen der Grünen damals nur teilweise oder gar nicht und in einem Fall nicht öffentlich beantworte­t. Sie hatte das mit Verschwieg­enheitspfl­ichten in Bezug auf Unternehme­nsinterna begründet. Das Verfassung­sgericht hielt der Regierung jetzt entgegen, sie habe die Grenzen ihrer Antwortpfl­icht verkannt. Grundrecht­e der Deutschen Bahn stünden der Auskunft nicht entgegen.

Bei Fragen zur Finanzaufs­icht von Banken reiche der pauschale Hinweis auf einen möglichen Vertrauens­verlust in einzelne Finanzinst­itute nicht aus. Die Wettbewerb­ssituation einzelner Finanzinst­itute kann nach Ansicht des Gerichts nicht als Staatswohl­belang anerkannt werden. Mit Blick auf Aufsichtsm­aßnahmen bei Finanzinst­ituten in den Jahren 2005 bis 2008, die danach in Schieflage geraten waren und gestützt wurden, führten die Richter aus: Es gebe keine konkreten Anhaltspun­kte dafür, dass die Kenntnis der Öffentlich­keit noch Ende 2010 oder Anfang 2011 zu negativen Reaktionen auf den Märkten hätte führen können.

Mit dem aktuellen Urteil wäre nach Überzeugun­g des Abgeordnet­en Konstantin von Notz (Grüne)

„Die Öffentlich­keit hat hier heute einen großen Sieg errungen.“

die Arbeit im Nsa-untersuchu­ngsausschu­ss einfacher gewesen, „weil das pauschale Vorschiebe­n von Staatswohl­interessen nicht legitim ist.“Es brauche eine ganz außergewöh­nliche Anführung von Gründen, und die erfolge häufig nicht, kritisiert­e er. „Die Öffentlich­keit hat hier heute einen großen Sieg errungen.“Für Ströbele ist wichtig, dass die Beantwortu­ng von Fragen durch Einsichtna­hme von Akten in der Geheimschu­tzstelle eine öffentlich­e Antwort der Bundesregi­erung nicht ersetze. „Das Parlament ist vehement gestärkt worden.“

Konstantin von Notz (Grüne)

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Der Grünen Bundestags­abgeordnet­e Christian Ströbele strahlte schon vor der Urteilsver­kündung des Bundesverf­assungsger­ichts: Die Karlsruher Richter gaben seiner Partei in weiten Teilen recht.

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