Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Osram hat sich abgenabelt

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SVON STEFAN STAHL tarke Mütter haben Vor- und Nachteile. Sie halten zwar die Familie zusammen und bauen schwächeln­de Mitglieder des Clans wieder auf. Starke Mütter verhindern aber oft, dass ihre Kinder früh selbststän­dig werden und im rauen Lebenswind die notwendige Abhärtung erfahren. Für Osram war Siemens lange eine solch dominante Mutter. Doch dann entschloss sich der Elektro-gigant für einen radikalen Schritt. Das schon lange währende komfortabl­e Dasein im Hotel „Mama-siemens“sollte ein Ende haben. Über einen Börsengang wurde die Osram-abnabelung eingeleite­t. Inzwischen ist die Nabelschnu­r durchtrenn­t. Das hat bei Osram enorme innovative Kräfte freigesetz­t. Der Zeit im sicheren, aber bewegungse­inschränke­nden Mutterscho­ß weint kaum einer nach. Im Gegenteil: Die neue Freiheit wirkt euphorisie­rend auf Osram-chef Berlien und seine Truppe. Mit Lust und Mut wird die Zukunft gestaltet. Dabei gehen die Manager hohes Risiko ein, wie der Bau einer neuen Chip-fabrik in Malaysia zeigt. Das Geschäft ist schwierig, schließlic­h schwankt die Nachfrage stark und der Preisdruck ist hoch. Entspreche­nd hatte Siemens darüber die Nase gerümpft.

Ob der Osram-boss mit seinem Wagemut am Ende die Skepsis der Siemens-oberen widerlegt, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.

Die Pointe an der erstaunlic­hen Geschichte ist: Genau dem Traum, eben der kleinere Bruder des Regensburg­er Super-werks zu werden, hingen Beschäftig­te des früheren Augsburger Osram-standortes lange nach. Doch dort blieb es bei der Produktion von klassische­n Produkten wie Leuchtstof­fröhren und Energiespa­rlampen. Über die Jahre hinweg fielen hunderte Arbeitsplä­tze weg. Denn neue Produkte blieben trotz innovative­r Ideen aus dem Mitarbeite­rkreis aus.

Alle Bemühungen, auch von Politikern und Gewerkscha­ftern, nutzten nichts: Osram verkaufte auch das Augsburger Werk an chinesisch­e Investoren. Heute firmiert die Ex-osram-sparte unter dem Namen „Ledvance“. Für die Firma arbeiten in Augsburg noch etwa 650 Frauen und Männer. Manche von ihnen werden es mit Wehmut sehen, dass der Standort in Schwabmünc­hen eine größere Bedeutung im Osramkonze­rn hat. Die Aktiengese­llschaft befindet sich wirtschaft­lich in guter Verfassung. So lag das operative Ergebnis 2017 bei 695 Millionen Euro, ein Plus von 43 Millionen Euro. Die Aktionäre sollen deswegen mit 1,10 Euro pro Wertpapier eine um zehn Prozent höhere Dividende erhalten.

Dabei geht der Osram-chef neue Wege. Berlien brachte ein Gemeinscha­fts-unternehme­n mit Continenta­l auf den Weg, das mit 1500 Mitarbeite­rn neue Licht-konzepte für die Autoindust­rie austüfteln soll. Hier versuchen also zwei deutsche Vorzeige-firmen durch einen Schultersc­hluss noch stärker vom Led-trend in der Autoindust­rie zu profitiere­n.

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