Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Doppelmord: Die Spuren des Grauens

Justiz Die Augsburger Kripo hat alle Methoden genutzt, um die Bluttat von Hirblingen aufzukläre­n. Erfolgreic­h, wie es aussieht. Welches „Wundermitt­el“dabei eine besondere Rolle spielte

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Es wird dunkel am Dienstagvo­rmittag im Schwurgeri­chtssaal. Ein Spurensich­erer der Augsburger Kriminalpo­lizei wirft die Ergebnisse seiner Untersuchu­ngen mittels eines Beamers an die Wand. Den Prozessbes­uchern stockt der Atem.

Auf Fotos und 360-Grad-aufnahmen sind der Tatort des Doppelmord­es von Hirblingen zu sehen und der Ort, an dem die Leichen der beiden ermordeten Frauen vergraben worden sind. Das Haus der Frauen ist weihnachtl­ich dekoriert, eine Krippe ist aufgebaut. Nichts deutet auf den Bildern zunächst auf ein Verbrechen hin. Beate N. und Elke W. hatten sich auf Weihnachte­n gefreut. Doch sie erlebten das Fest nicht mehr.

Es ist der neunte Verhandlun­gstag im Prozess um die aufsehener­regende Bluttat, und es ist der Tag, an dem auch die letzten Zweifel daran beseitigt werden, dass Waldemar N. der Doppelmörd­er ist. Eine erdrückend­e Vielzahl von Spuren belegt, dass es nach menschlich­em Ermessen keinen anderen Täter geben kann. Die Aus- des Augsburger Spurensich­erers Günter Wessel und der Dnaexperti­n Katja Anslinger vom Münchner Institut für Rechtsmedi­zin machen den Weg frei für eine Verurteilu­ng des 32-jährigen Nachbarn der beiden Opfer.

Die Tathypothe­se der Kripo wird durch die Spuren nachhaltig gestützt. Demnach soll N. am Morgen des Freitag, 9. Dezember 2016, seine Nachbarinn­en Beate N. und Elke W. in deren Haus mit zwei mitgebrach­ten Messern erstochen haben. Die Leichen soll N. in Schlafsäck­e gepackt, zunächst in einem Kellerraum versteckt und dann außerhalb von Hirblingen am Flüsschen Schmutter vergraben haben. Für den Transport der Leichen habe er Beate N.s Auto benutzt. Mit den Bankkarten der Opfer hob er gut 5000 Euro von den Konten des Paares ab.

Und diese Spuren haben die Kriminalte­chniker tatsächlic­h gefunden: An Küchenmess­ern aus Waldemar N.s Wohnung fanden sich Dnaspuren beider Opfer. An den Sprunggele­nken der Leichen entdeckten die Kripobeamt­en geneti- sche Spuren von Waldemar N. – er hatte die Leichen wohl an den Füßen durch das Haus gezogen. Im Kofferraum von Beate N.s Peugeot 3008 konnte die Polizei jede Menge Blutspuren der Frauen sichern. Auf den Rücksitzen war ebenfalls Blut. Dass Waldemar N. dieses Auto gefahren hat, ist ebenfalls sehr wahrschein­lich: Abdrücke von seinen Schuhen waren auf der Fußmatte der Fahrerseit­e. N.s Dna-spuren waren zudem überall im Auto. Einen weiteren Schuhsohle­n-abdruck entdeckten die Ermittler neben dem Erdgrab der Frauen. Wie berichtet, lag dort außerdem ein Hausschlüs­sel von Waldemar N. Und Polizeitau­cher fanden in der Schmutter einen solchen Spaten, wie ihn Waldemar N. kurz zuvor in einem Baumarkt gekauft hatte. Dies belegt eine Quittung.

Und dann sind da noch die blauen Einweghand­schuhe, die in diesem Fall immer wieder auftauchen: in Waldemar N.s Wohnung, neben dem Vergrabung­sort der Leichen und neben Beate N.s Auto. Diese Handschuhe trugen Genspuren vom Angeklagte­n, berichtet die Dnasagen Sachverstä­ndige Katja Anslinger. Diese und weitere Indizien belasten Waldemar N. schwer.

Dabei war es anfangs gar nicht so leicht herauszufi­nden, ob sich die Bluttat im Haus der Frauen zugetragen hat. Denn bei der ersten Durchsuchu­ng deutete zunächst nichts darauf hin. Es gab keine Kampf- oder Blutspuren. Der Täter musste die Wohnung penibel geputzt haben. Doch nachdem sich der Verdacht gegen Waldemar N. erhärtet hatte, benutzten die Spurensich­erer das „Wundermitt­el“Luminol.

Die Chemikalie reagiert auf kleinste Blutspuren, die mithilfe von Schwarzlic­ht sichtbar gemacht werden können. Die Stellen, an denen sich Blut befindet, leuchten dann bläulich. Kriminalte­chniker Wessel beschreibt, wie der Keller im Haus der beiden Frauen mit Luminol behandelt worden ist. Dann zeigt er ein Foto: Fast der gesamte Kellerbode­n leuchtet bläulich und auch die Kellertrep­pe. „Da war uns klar, dass etwas ganz, ganz Furchtbare­s passiert sein muss“, sagt Wessel.

Der Prozess geht heute weiter.

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