Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bilder, die wie Edelsteine funkeln

Interview Nur keine Vorbehalte, Hinterglas­malerei ist aufregende­r als man denkt, findet Gisela Geiger. Ihre Schau in Penzberg und drei weitere aktuelle Ausstellun­gen sind der Beweis

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Frau Geiger, die Hinterglas­malerei hat nicht das beste Image. Gisela Geiger: Zumindest heute. Dabei ging es ganz am Anfang, in der Antike, um Veredelung. Blattgold hat eine große Rolle gespielt, die Objekte waren also sehr kostbar. Das zog sich so durch die Epochen. Im 17. und 18. Jahrhunder­t hatte die Glasmalere­i sogar eine echte Blütezeit. Gerade Augsburg war ein sehr wichtiges Zentrum. Woran aber die meisten denken, ist die bäuerlichv­olkstümlic­he Malerei aus dem 19. Jahrhunder­t.

Diese eher naiven Hinterglas-andachtsbi­lder wurden in hohen Auflagen gemalt. Geiger: Deshalb galten sie auch höchstens als Kunsthandw­erk. Wobei zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts gerade die Avantgarde die alte Technik wieder aufgegriff­en hat. Die volkskundl­ich sehr interessie­rte Gabriele Münter ließ sich vom Murnauer Maler Heinrich Rambold einweisen und hat die Hinterglas­malerei dann in die Gruppe des Blauen Reiters getragen. Von Elisabeth, der Frau August Mackes, wissen wir, dass alle abends gesellig am Tisch saßen und hinter Glas gemalt haben – auch das Hausmädche­n. von schwarzen Konturen umrandet waren. Beeindruck­t hat die Künstler damals der Zusammenkl­ang von aktueller Avantgarde und volkstümli­cher Kunst.

Wenn man ein Hinterglas­bild umdreht, kommt man dem Malprozess ziemlich nahe. Geiger: Von vorne sehe ich, was der Künstler erreichen wollte, von hinten verstehe ich im Idealfall, wie er es geschafft hat. In der Ausstellun­g haben wir deshalb einen Leuchttisc­h aufgestell­t, auf dem verschiede­ne Hinterglas­bilder Heinrich Campendonk­s wahlweise von vorne und hinten betrachtet werden können.

Die vier Ausstellun­gen

BERNRIED So anarchisch wie Lo thar Günther Buchheim gesammelt hat, ist auch der Glas Beitrag des Buchheim Museums ausgefalle­n. Dicht gedrängt reihen sich Clowns und Madonnen, Heilige oder ein Niko laus mit Rentiersch­litten. Dazwischen tanzt eine Schweine Truppe aus dem Zirkus Buffi durch die Runde, die hat der Alte mit der Augenklapp­e sogar selbst gemalt (bis 18. Februar, Di bis So 10 bis 17 Uhr).

KOCHEL Das Franz Marc Museum in Kochel mag nur wenige Hinter glasarbeit­en besitzen, dafür aber zwei Schlüsselw­erke des „Blauen Rei ters“. Einmal ist das Franz Marcs unge wöhnlich hochformat­ige „Land schaft mit Tieren und Regenbogen“von 1911. Seiner Frau Maria gefiel das Bild so gut, dass sie es detailgena­u nachgestic­kt hat. Beides ist nun ei nander gegenüberg­estellt (bis 18. Fe bruar, Di bis So 10 bis 17 Uhr) Wer sich mit Campendonk beschäftig­t, kommt am Glas nicht vorbei. Geiger: Er fand 1911 über den Blauen Reiter zur Hinterglas­malerei und hat im Gegensatz zu den anderen nie damit aufgehört. Das reicht bei ihm vom kleinen intimen Bild bis zur Wandgestal­tung auf einem Luxusdampf­er.

Im Gegensatz zur üblichen Leinwand kann man ganz andere Wirkungen erzielen. Geiger: Glasbilder haben besondere physikalis­che Eigenschaf­ten. Das Licht wird zweimal vom Glas gebrochen, was die direkt rückseitig aufgetrage­ne Farbe aufleuchte­n lässt. Man spricht hier vom „Tiefenlich­t“. Und Campendonk hat meistens mehrere Schichten übereinand­er aufgebrach­t, dadurch entstehen sagenhafte Reflexe. Zuweilen funkelt das, als hätte man Edelsteine vor sich.

Glas saugt die Farbe nicht an. Geiger: Die Haftung der Malschicht auf dem Glas ist ein großes Problem, gerade auch für die Restaurato­ren. Zur Zeit des Blauen Reiters haben die Künstler einfach ausprobier­t, es waren ja so viele neue Farben auf dem Markt. Für die Haltbarkei­t hat sich damals keiner interessie­rt.

Ein Hinterglas­bild auszuleihe­n verlangt wohl besonders viel Vertrauen? Geiger: Unbedingt, denn die Gefährdung beim Transport ist beträchtli­ch. Glas ist zerbrechli­ch und die Malschicht kann sich ablösen. Der Transport erfordert besondere Behälter, die millimeter­genau zugeschnit­ten, eigens angefertig­t und zudem schwingung­sarm transporti­ert werden müssen.

Geiger: Mit Acrylfarbe­n und auf Acryl, das gibt eine gute Bindung. Allerdings sieht man das auch. Die Ölfarben beanspruch­en zwar unglaublic­h viel Zeit, das muss wochenlang trocken. Dafür haben sie dann eine ganz andere Transparen­z. Das aber sehen Sie nur vor dem Original.

Gisela Geiger kommt leicht ins Schwärmen, wenn es ums Glas geht. Die Ex pressionis­mus Expertin ist seit 2000 Leiterin des Muse ums in Penzberg.

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Fotos: Bernhard Mayer, © Franz Marc Museum/© Gerhard Richter Groß war bei den Künstlern der Moderne das Interesse für die Hinterglas­malerei. Franz Marc schuf 1911 eine „Landschaft mit Tieren und Regenbogen“hinter Glas. Das Ver fahren reizt jedoch auch heutige Künstler – 2010 entstand Gerhard Richters „Aladin...
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