Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie alt Hussein K. wirklich ist
Prozess Der Flüchtling räumte ein, Maria L. vergewaltigt und gewürgt zu haben. Nun könnte ihn sein Eckzahn lebenslang ins Gefängnis bringen
Freiburg Hussein K. sitzt am Dienstag auf der Anklagebank des Freiburger Landgerichts und schweigt. Nur wenige Meter von ihm entfernt berichten Sachverständige, was sie herausgefunden haben. Was sie sagen, ist entscheidend für das Urteil; es geht um Hussein K.s Alter.
Dem Flüchtling aus Afghanistan wird der Sexualmord an der 19-jährigen Studentin Maria L. in Freiburg zur Last gelegt. Ein Zahn dient als wesentliches Beweismittel: Beweisstück Nummer 14.2.2.2.25.48 soll am Dienstag die Wahrheit ans Licht bringen. Es ist ein Eckzahn des Angeklagten, der ihm von einem Zahnarzt bei einem Routineeingriff gezogen worden war. Andere Zähne hatten ihn überlagert. Hussein K. behielt ihn als Erinnerungsstück und bewahrte ihn in seinem Zimmer auf. Dort fanden Polizeibeamte den Zahn, als sie nach der Festnahme des Flüchtlings alles durchsuchten.
Hussein K. steht seit zwei Monaten vor Gericht. Er hat zugegeben, im Oktober 2016 Maria L. vergewaltigt und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt zu haben. Sie ertrank im Wasser des Flusses Dreisam.
Der Fall löste eine große Debatte über die deutsche Flüchtlingspolitik aus. K. war im November 2015 ohne amtliche Dokumente ins Land gekommen und wurde als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingestuft. Nachdem er erst behauptet hatte, zur Tatzeit 17 Jahre alt gewesen zu sein, räumte er zu Prozessbeginn ein, älter zu sein. Wie alt, sagte er nicht. Die Staatsanwaltschaft hält ihn aufgrund zweier Altersgutachten für mindestens 22 Jahre alt.
Dass die Ermittler einen bereits gezogenen Zahn von ihm fanden, ist ein Glücksfall. Denn Zähne dürfen nicht gezogen werden, wenn der Betroffene nicht einverstanden ist. Das wäre Körperverletzung und illegal. Hussein K.s Zahn ermöglicht nach Angaben der Wissenschaftlerin Ursula Wittwer-backofen von der Universität Freiburg eine zuverlässige und recht klare Altersdiagnostik. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen, die sie am Dienstag vorstellte: Hussein K. ist 25,8 Jahre alt. Rechne man alle Fehlerquellen mit ein, ergebe sich für ihn eine Altersspanne von 22,5 bis 29,5 Jahre.
Folgt das Gericht dieser Einschätzung, würde für Hussein K. Erwachsenenstrafrecht gelten. Ihm droht dann eine lebenslange Haft. Für Jugendliche und Heranwachsende sind die Strafen geringer, vorausgesetzt sie waren zur Tatzeit jünger als 22 Jahre.