Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das oberste Gebot: Ruhe bewahren!

Ratgeber Wie sich Autofahrer nach einem Unfall richtig verhalten – und warum es nicht immer nötig ist, die Polizei zu rufen

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Einmal kurz nicht aufgepasst, ein Auto im toten Winkel übersehen oder den Abstand falsch eingeschät­zt – ein Unfall ist schnell passiert und der Ärger dann oft groß. Vor allem Letzteres führt dazu, dass viele Autofahrer schlicht nicht wissen, was zu tun ist. „Das ist eine klassische Stresssitu­ation, in der selten benötigte Handlungen nicht so einfach abrufbar sind“, erklärt der Verkehrsps­ychologe Thomas Wagner von der Dekra.

Es sei verständli­ch, dass viele Autofahrer zunächst planlos reagierten. „Dann ist es ratsam, einen kurzen Break zu machen, einmal richtig durchzusch­naufen und langsam von 30 herunterzu­zählen“, rät Wagner. Das sorge für etwas Beruhigung und helfe, die Gedanken zu sortieren.

Zusätzlich sei es empfehlens­wert, im Handschuhf­ach eine Kurzanleit­ung für die wichtigste­n Schritte nach einem Verkehrsun­fall griffberei­t zu haben, wie sie sowohl von der Dekra als auch von Verkehrskl­ubs angeboten wird.

Das Wichtigste ist zunächst, die Unfallstel­le abzusicher­n. „Das bedeutet: Warnblinkl­icht einschalte­n, Warnweste anziehen und danach das Warndreiec­k 50 bis maximal 100 Meter entfernt vom Fahrzeug aufstellen“, sagt Hannes Krämer vom Auto Club Europa (ACE). Bei einem Unfall auf der Autobahn sollten alle Fahrzeugin­sassen den Wagen unverzügli­ch mit größter Umsicht verlassen und sich hinter der Leitplanke in Sicherheit bringen. „Erst dann sollte der Notruf abgesetzt werden“, so Krämer. Sind Personen verletzt, muss Erste Hilfe geleistet werden. „Wer dies unterlässt, macht sich strafbar“, weiß Krämer. „Wer Erste Hilfe leistet, hat keine rechtliche­n Konsequenz­en zu befürchten, selbst wenn er nicht richtig handelt.“

Bei Verletzten, einem hohen Sachschade­n, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind oder auch wenn sich der Unfallgegn­er einfach vom Unfallort entfernt, sollte immer die Polizei gerufen werden. Eine Verpflicht­ung, zu jedem Unfall zu kommen, hat die Polizei jedoch nicht. Bei kleineren Bagatellsc­häden sei dies in der Regel auch nicht notwendig: „Hier haben Autofahrer vielmehr die Pflicht, sofort die Straße zu räumen, um den nachfolgen­den Verkehr nicht weiter zu beeinträch­tigen“, sagt Krämer. Ein typischer Bagatellsc­haden sei beispielsw­eise ein oberflächl­icher Lackschade­n. Wer bei so einem Kleinschad­en dennoch auf die Polizei wartet und den Unfallort nicht räumt, riskiere ein Bußgeld von 30 Euro.

Liegt ein Sachschade­n vor und die Unfallgegn­er sind sich einig, reicht es aus, Adresse und Versicheru­ngsdaten auszutausc­hen, sagt Philipp Sander vom Automobilc­lub Mobil in Deutschlan­d. Die Versicheru­ngsnummer sollte immer im Fahrzeug mitgeführt werden, praktische­rweise in Form der Grünen Versicheru­ngskarte.

Ist das Fahrzeug des Unfallgegn­ers nicht in Deutschlan­d zugelassen, empfiehlt Sander, zusätzlich den Europäisch­en Unfallberi­cht gemeinsam auszufülle­n. Hat der Unfallgegn­er seine Versicheru­ngsdaten nicht zur Hand, lassen sich diese

Warum Winterreif­en unverzicht­bar sind

Wer bei winterlich­en Straßenver­hält nissen in einem Auto auf Sommerrei fen unterwegs ist, riskiert Bußgelder ab 60 Euro und einen Punkt in Flens burg.

Die Kfz Haftpflich­tversicher­ung kommt nach einem Unfall zwar für Schäden der Opfer auf, auch wenn der Verursache­r auf Sommerreif­en ge

auch anhand des Kennzeiche­ns über den Zentralruf der Autoversic­herer ermitteln, der rund um die Uhr unter 0800/2502600 erreichbar ist.

Die Verkehrsre­chtsanwält­in Daniela Mielchen rät dazu, nicht unüberlegt alles Weitere der gegnerisch­en Versicheru­ng zu überlassen. Denn damit schade sich der Autofahrer möglicherw­eise selbst: „Die fahren ist, wie der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) mitteilt. Jedoch könne der Versi cherer im Einzelfall bis zu 5000 Euro Regress vom Versichert­en fordern.

Auch bei Schäden am eigenen Fahr zeug kann ein Unfall auf Sommerrei fen im Winter teuer werden. Denn dann hätte der Autofahrer vor oder wäh

Versicheru­ngen haben natürlich ein Interesse daran, die Rechnungen klein zu halten.“Wer nicht selbst an einem Unfall schuld ist, habe jedoch beispielsw­eise die freie Werkstattw­ahl sowie das Recht auf einen freien Gutachter und einen Ersatzwage­n über die reine Reparaturz­eit hinaus. „Werden diese Dinge gleich von der Versicheru­ng geregelt, fährt rend der Fahrt erkennen müssen, dass die Straßenver­hältnisse Winterreif­en nötig gemacht hätten.

Passiert der Unfall also definitiv auf grund der falschen Bereifung, kann eine Vollkaskov­ersicherun­g laut GDV ihre Leistungen im Einzelfall kürzen – und in schweren Fällen sogar ganz streichen. (dpa)

der geschädigt­e Autofahrer möglicherw­eise deutlich schlechter.“Denn gerade bei Unfallguta­chten sei der Ermessenss­pielraum groß.

Rechtsanwa­ltskosten müssen bei einem unverschul­deten Unfall von der gegnerisch­en Versicheru­ng bezahlt werden. Dass ein Rechtsbeis­tand für Unfallgesc­hädigte wegen der immer komplizier­ter werdenden Rechtsprec­hung immer wichtiger wird, hat zuletzt das Oberlandes­gericht Frankfurt festgestel­lt (Az.: 22U171/13). In der Entscheidu­ng heißt es, Autofahrer sollten auch bei kleinen Verkehrsun­fällen besser einen Fachanwalt zurate ziehen, um ihre Ansprüche durchzuset­zen.

Unabhängig davon sollten Autofahrer bei einem Unfall immer nach Zeugen Ausschau halten. Denn diese können gerade bei strittigen Situatione­n entscheide­nd sein. „Ideal ist natürlich, gleich vor Ort Name und Adresse zu notieren. Im Zweifelsfa­ll aber kann auch schon das Kennzeiche­n eines Zeugen ausreichen“, sagt Mielchen. Ein wichtiges Beweismitt­el sind Bilder. „Auch wenn Fotos im ersten Moment vielleicht überflüssi­g erscheinen, schaden können sie nie“, sagt Sander. Empfehlens­wert sei, die Unfallsitu­ation aus möglichst vielen Perspektiv­en auf Fotos oder Videos festzuhalt­en.

Der Einsatz sogenannte­r Dashcams, die als Mini-videokamer­as an der Windschutz­scheibe oder dem Armaturenb­rett befestigt werden und den laufenden Verkehr mitfilmen können, ist jedoch nicht ohne Weiteres erlaubt. „Das nichtanlas­sbezogene Betreiben einer Dashcam ist in Deutschlan­d nicht legal und wird beispielsw­eise in Bayern mit einem Bußgeld geahndet“, erläutert Mielchen. Nur wenn ein Autofahrer beispielsw­eise von einem anderen Verkehrste­ilnehmer genötigt wird, dürfe unter Umständen eine Dashcam eingesetzt werden.

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Foto: Christin Klose, dpa Schreck lass nach: Nach einem Autounfall reagieren viele Fahrer zunächst planlos. Das ist nicht weiter schlimm, sagen Experten – wenn sich die Betroffene­n danach auf das Wesentlich­e besinnen.

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