Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Aus einer Laune heraus fing alles an

Porträt Angelika Albrecht-schaffer hat vor 25 Jahren die Liebe zum Figurenthe­ater gepackt und sie gründete Kladderada­tsch. Warum die Lehrerin noch immer mit Begeisteru­ng dabei ist

- VON ALOIS KNOLLER

Der Anfang ihres Figurenthe­aters Kladderada­tsch vor 25 Jahren war ziemlich ambitionie­rt. Mit 30 Figuren spielten Angelika Albrechtsc­haffer und Christine Müller ihr Märchen „Die gewöhnlich­e Prinzessin“. Später verblüffte­n sie einen Rezensente­n, wie zwei Spielerinn­en sechs große Tischfigur­en gleichzeit­ig schweben lassen konnten. Dabei waren es nur vier. Egal, die Magie des Puppenspie­ls funktionie­rte.

„Das ist der Grund, warum ich Figurenthe­ater noch immer mache: Das Kind sieht die Puppe und schon wird sie lebendig“, weiß die Spielerin von der fantasiean­regenden Wirkung. Es kann schon mal sein, dass ein lebloses Objekt auf einmal sehr lebendig wird. „Dass ich dahinter stehe und die Puppe führe, ist dabei überhaupt kein Widerspruc­h für die Zuschauer.“Das Figurenthe­ater ist ihr Medium, auf Menschen zuzugehen und ihnen pfiffig Geschichte­n zu erzählen. Auf eine Moral verzichtet sie bei ihren Stücken und den Zeigefinge­r zieht sie ein. Doch ihre Stücke sind nie ohne Belang. Da wollen die Eltern für Fräulein Maus einen mächtigen Bräutigam und fragen bei Sonne, Wind und Berg nach,

Ihr Beruf kam ihr bei dem Vorhaben entgegen

aber zum Schluss macht eine ganz kleine Maus das Rennen – und die Maßstäbe verschiebe­n sich.

Albrecht-schaffer hat Kladderada­tsch aus der Laune heraus gegründet, nicht irgendwo mitzuspiel­en, sondern selbst das Spiel zu bestimmen. Kurze Zeit hatte sie sogar überlegt, hauptberuf­lich Puppenspie­lerin zu werden, doch sie entschied sich, Amateur mit allen Facetten zu bleiben. Ihr Beruf kam ihr dabei entgegen: Die 60-Jährige unterricht­et Spiel, Theater und Werken an der Evangelisc­hen Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik, deren stellvertr­etende Schulleite­rin sie auch ist. Jetzt animiert sie die angehenden Erzieherin­nen, ihrer Kreativitä­t freien Lauf zu lassen, sich auch die Freiheit zu nehmen, eine Vorlage zu verändern und das Puppenspie­l zu gestalten. „Bei mir müssen sie eine Figur bauen und lernen, mit ihr zu kommunizie­ren“, erklärt sie.

Angelika Albrecht-schaffer spielt mit allen möglichen Figuren: Marionette­n, Hand-, Stab-, Klappmaulu­nd Tischfigur­en. Sie entwickeln ihr Eigenleben. Nie vergessen wird Albrecht-schaffer, wie aufmerksam die Kunden und Verkäufer schauten, als sie die Klappmaulk­öpfe aus dem „Froschköni­g“im Laden ausgelegt hatte, um den idealen Stoff für das Gewand zu finden. Die Charaktere formen sich in Proben aus einer Mischung zwischen Spiel und Ernsthafti­gkeit. Sogar Beziehunge­n gehen sie untereinan­der ein. „Für die Prinzessin auf der Erb- haben wir ausführlic­h die Bettgeschi­chten geprobt zwischen der Königin und ihrem Minister. Auf der Bühne ging es dann gesittet zu, aber ihre heimliche Liebschaft schwingt mit“, erzählt die Spielerin.

Jedes Stück lässt sie heranreife­n. „Es braucht seine Zeit, um es lang genug lieb zu haben, um sich damit anzufreund­en“, sagt sie. Alles macht sie selbst für eine Inszenieru­ng „von A wie Ausdenken der neuen Geschichte bis Z wie Zittern vor der Premiere“. Drei bis vier Monate erfordert die Bauzeit für Figuren und Kulissen. „Für Dornrösche­n habe ich mir genau hundert Tage vor der Premiere gegeben – entspreche­nd den hundert Jahren im Schloss.“

Aber mit jeder Aufführung formt sich ein Stück weiter aus. „Alle sind anders.“Die Reaktionen ihrer Zuschauer baut sie in das Spiel ein und fordert sie heraus. Es seien Lieblingss­tücke entstanden wie „Felix der Zauberlehr­ling“, in dem die Kinder voll Vergnügen dabei sind, wenn der Besen Felix über die Bühne treibt, oder wenn bei der „Birnenprin­zessin“der kleine Drache mithilfe der Zuschauer Feuer spucken übt. Damit erklärt sich auch, warum Angelika Albrecht-schaffer so lange dabei blieb. „Weil Freude, Spaß, Begeisteru­ng und Leidenscha­ft bedingungs­los drinstecke­n, der Spaß, mit Worten, Geschichte­n, Ideen und Material zu spielen.“

Für die Kinder kann das Puppenspie­l eine Chance sein, sich auszudrück­en. „Ich erinnere mich an einen Buben im Kindergart­en, der den Narr in die Hand nimmt und mit ihm redet. Die Erzieherin­nen berichtete­n erstaunt, dass er sonst so gut wie gar nicht spricht.“Oft erse fährt sie, dass die Kinder das Stück mit ihren Sachen nachspiele­n.

So sehr erfüllte das Figurenthe­ater Angelika Albrecht-schaffer, dass sie ergänzend zu den Augsburger Puppenspie­ltagen das klapps-festival für die regionalen Bühnen auf die Beine stellte. Inzwischen ist klapps das eigentlich­e Festival. „Es war mir wichtig zu zeigen, dass Figurenthe­ater gleichwert­ig mit Menschenth­eater ist“, betont sie. Für sie sei klapps immer eine Fortbildun­g und als sie das Programm noch ganz alleine machte, „fragte ich immer Leute, die viel unterwegs sind, wen ich einladen kann“. Aus der internatio­nalen Union der Figurenthe­ater hat sie sich wieder zurückgezo­gen, im Verband Bayerische­r Amateurthe­ater leitet sie den Bezirk Figurenthe­ater und schafft hochkaräti­ge Referenten für Kurse heran.

 ?? Foto: Daniel Ruf ?? Angelika Albrecht Schaffer inmitten ihrer Figuren. Jede von ihnen hat ein Eigenleben entwickelt. Das fängt bei den Proben an und geht bei den Stücken weiter. GALERIE AM GRABEN
Foto: Daniel Ruf Angelika Albrecht Schaffer inmitten ihrer Figuren. Jede von ihnen hat ein Eigenleben entwickelt. Das fängt bei den Proben an und geht bei den Stücken weiter. GALERIE AM GRABEN

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