Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Dieser Mann machte Schlagzeilen
Angelo Sodano stand im Schatten der Päpste. Doch wenn er sich äußerte, konnte das weltweit Empörung auslösen. Beinahe hätte er sogar das „Unwort des Jahres“geschaffen
Kardinal Angelo Sodano, einer der mächtigsten Männer der katholischen Kirche, mag vielen unbekannt sein. Dabei stand er immer wieder im Licht der Weltöffentlichkeit. Etwa als er 2005 während der Totenmesse für Papst Johannes Paul II. die Predigt hielt.
Auch vor sieben Jahren machte er weltweit Schlagzeilen und brachte es in Deutschland beinahe zum Urheber des „Unwort des Jahres 2010“. Auf dem Höhepunkt der Missbrauchskrise verteidigte Sodano damals Papst Benedikt XVI. Die Kirche lasse sich nicht vom „Geschwätz des Augenblicks“beeindrucken, meinte er. Wochen später erklärte der Vatikan, Sodano sei falsch verstanden worden.
Was man weder dem Vatikan noch Sodano abnahm, zumal der selbst nachgelegt hatte: Die sexuellen Übergriffe von katholischen Priestern würden „als Waffe gegen die Kirche benutzt“. Seine Wortwahl begründete Sodano mit seinem Auftrag, „dem Papst beizustehen und der Kirche bis zum Blutvergießen zu dienen“. Benedikt XVI. lobte Sodano einmal für seine Treue, Weitsicht, Klugheit und Energie.
Der Norditaliener entstammt einer Landbesitzerfamilie aus Isola d’asti bei Turin, ist das zweite von sechs Kindern. Sein Vater Giovanni war zwischen 1948 und 1963 Parlamentsabgeordneter der Christdemokraten.
Angelo Sodano führte ein Leben ganz im Zeichen der Kirche. Mal handelte er wie ein geistlicher Hirte, mal wie ein Spitzenpoli- tiker. Meist vermittelte er diskret und hielt sich im Hintergrund, im Schatten der Päpste. Bisweilen eckte er polternd an. Heute wird Sodano, der langjährige Kardinalstaatssekretär von Johannes Paul II. (1978–2005) und Benedikt XVI. (2005–2013), 90 Jahre alt. Er kann auf annähernd 50 Jahre im diplomatischen Dienst des Vatikans zurückblicken. Als sein Meisterstück gilt, dass er als päpstlicher Botschafter in Chile während der Diktatur Augusto Pinochets 1978 und 1979 half, den Grenzstreit Chiles mit Argentinien beizulegen. In den Tagen des Mauerfalls war Sodano vatikanischer Außenminister; 1991 wurde er zum Kardinalstaatssekretär ernannt – und damit zum zweiten Mann im Vatikan, der er bis 2006 blieb. Seit 2005 ist er Kardinaldekan, also ranghöchster Kardinal. Nach dem Tod des Papstes managt er die Übergangszeit und ruft unter anderem die Kardinäle zum Konklave zusammen. Auch dies eine wichtige Aufgabe.
Inzwischen ist es ruhig geworden um Sodano, der 1950 seine Priesterweihe empfing und nur kurz in der Seelsorge tätig war, bevor er Stufe um Stufe in der vatikanischen Hierarchie nach oben stieg.
Erst vier Jahre alt ist eine Formulierung, die ebenfalls weltweit Schlagzeilen machte: Als Benedikt XVI. im Februar 2013 sensationell seinen Amtsverzicht ankündigte, nannte Sodano das einen „Blitz aus heiterem Himmel“.