Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie sieht Peter Sloterdijk die Digitalisi­erung?

Debatte Der preisgekrö­nte Philosoph wirft mit Hochschulp­räsident Gordon T. Rohrmair einen Blick in die Zukunft

- VON STEFANIE SCHOENE

Dass die fortschrei­tende Technologi­sierung unser Zusammenle­ben beeinfluss­t, stellen die Zukunftsfo­rscher nicht mehr infrage. Der ökonomisch­e Wert einer Gesellscha­ft kann von nur noch halb so viel Menschen geschöpft werden. Diese Zahl, von Wissenscha­ftlern errechnet, zitiert der Augsburger Hochschulp­räsident Gordon T. Rohrmair bei der Auftaktver­anstaltung der Kurztagung „Arbeit 4.0“im Goldenen Saal des Rathauses. Mit dem Philosophe­n Peter Sloterdijk sprach er vor geladenen Gästen aus Wissenscha­ft, Wirtschaft und Forschung.

Wohlstand durch Arbeit? Das war einmal. Technologi­e-ideologen aus dem Silicon Valley, so der Professor, jubeln: Mit einem „bedingungs­losen Grundeinko­mmen“könnte sich die andere Hälfte der Menschen um Ehrenamt, Soziales, Kultur kümmern. Rohrmair winkt ab: Von diesem Experiment würden vor allem die Geschäftsm­odelle der großen Internetfi­rmen profitiere­n. Ob damit ein menschenwü­rdiges Leben und Elan für Ehrenamt überhaupt möglich ist, sei nicht gesichert. Eine Änderung des gesellscha­ftlichen Modells stehe allerdings bevor.

Es müsse debattiert werden, wie mit den Algorithme­n umzugehen ist, die nicht nur unsere Paketbeste­llungen, sondern über die Steuerung unseres Nachrichte­nkonsums auch die Wirklichke­itswahrneh­mung analysiere­n und lenken. „Das kann nur in einer breiten Debatte gelöst werden“, so Rohrmair. Angst vor einer künstliche­n Intelligen­z sei nicht produktiv. Denn es gibt keine Alternativ­e. Die Digitalisi­erung kann nicht zurückgeno­mmen werden. Die „digitale Metamorpho­se“ist gesetzt, jetzt kommt es darauf an, sie politisch zu gestalten.

Der Philosoph Peter Sloterdijk schlug in seinem Referat über die „Zukunft der Arbeit“den großen ideengesch­ichtlichen Bogen: Die alten Griechen versuchten, ihre 12000 Athener Bürger zu alphabetis­ieren. Bis zur Aufklärung sei dies das erste und einzige Mal gewesen, dass eine Elite ihr Geheimwiss­en ans niedere Volk gab. Die Zäsur, die die derzeitige Digitalisi­erung setze, sei mit jener antiken vergleichb­ar. Der weltweite Kampf um die klügsten Köpfe werde jedoch die Bildungsel­iten der unterentwi­ckelten Länder kannibalis­ieren und so neue Armutsmigr­ationen auslösen. Bequem wird der Weg in die Digitalisi­erung nicht, das machte Peter Sloterdijk in seiner Rede klar.

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Foto: Bernd Hohlen Der Philosoph Peter Sloterdijk und der Präsident der Hochschule Augsburg, Gordon T. Rohrmair (rechts), sprachen im Goldenen Saal des Rathauses über Menschen, Ar beit und Digitalisi­erung.

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